
Gehören zu den Favoriten für das Papstamt: Pietro Parolin, Pierbattista Pizzaballa, Luis Antonio Tagle (obere Reihe von l.n.r.), Mario Grech, Cristobal Lopez Romero, Fridolin Ambongo (untere Reihe von l.n.r.)
Vor dem Konklave: Wer wird Papst?
Morgen beginnt das Konklave. Das sind die Top-Favoriten für die Nachfolge von Papst Franziskus.
Annalena Müller
Wenn am Mittwoch (7.5.) die 133 Kardinäle feierlich in die Sixtinische Kapelle einziehen, beginnt für die Welt das Warten. Wen werden die Kardinäle aus 71 Ländern zum neuen Papst wählen? Wie lange wird es dauern, bis Franziskus’ Nachfolger gefunden ist? Auf dem Petersplatz und in den Medien wird orakelt werden: Ein kurzes Konklave steht für Einigkeit, ein langes für Gräben, die schwer zu überwinden scheinen. Namen der «papabili» werden genannt, Favoriten gekürt und wieder verworfen werden. Dieses Ratespiel, während man den Schornstein der Sixtina immer im Blick behält, ist ein wesentlicher Teil der Faszination jeder Papstwahl.
Papst-Profil im Vorkonklave
Tatsächlich beginnt das Spekulieren bereits vor dem Einzug der Kardinäle. In der Zeit zwischen dem Tod eines Papstes und dem Beginn des Konklaves findet das sogenannte Vorkonklave statt. Dann treffen sich alle in Rom anwesenden Kardinäle täglich zu Sitzungen – auch jene, die das Wahlalter von 80 Jahren überschritten haben und daher nicht mehr wahlberechtigt sind.

In diesen Sitzungen wird das Profil des neuen Papstes entworfen. Im laufenden Vorkonklave deutet vieles darauf hin, dass eine Mehrheit der Kardinäle den Weg von Papst Franziskus fortsetzen möchte: Ein Papst soll gefunden werden, der die heterogene Kirche zusammenhält, die Menschen bewegt – und erreicht.
Tendenz: Den Weg fortsetzen
Wie sehr Franziskus die Menschen erreicht hat, zeigte nicht zuletzt die grosse Anteilnahme nach seinem Tod. In einem Interview am Wochenende sagte Kardinal Walter Kasper, der 2005 und 2013 Papstwähler war, am Wochenende: Diese Beobachtung habe viele Kardinäle darin bestärkt, den Weg von Franziskus fortzuführen. Allerdings betonte Kaspar auch, dass sich bislang kein Kardinal mit einer «Ruck-Rede» hervorgetan habe – anders als 2013, als Jorge Bergoglio mit einer aufsehenerregenden Ansprache auffiel.
Die Liste der Favoriten ist daher auch nach knapp zwei Wochen Vorkonklave noch lang. Vatikankenner, die Vaticanisti und Medien handeln zahlreiche Kardinäle als möglichen nächsten Papst. Wir stellen zwölf von ihnen vor – von der kirchenpolitischen Verortung bis hin was für und gegen die jeweilige Wahl spricht.
Klar ist aber auch: Es ist ein Blick in die Glaskugel. Denn das Bonmot, dass der, der «als Papst in das Konklave geht, als Kardinal wieder hinauskommt», gibt es nicht umsonst. In der Vergangenheit haben Konklaven Eigendynamiken entwickelt – vor allem, wenn sich nach den ersten vier bis fünf Wahlgängen keine klaren Favoriten abzeichneten. Aber es ist durchaus möglich, dass die Wahl auch dann auf einen der untenstehenden Herren fällt.

Wettbüros in Grossbritannien und internationale Medien sehen in ihm den Top-Favoriten: Kardinal Pietro Parolin (70). Als Kardinalsstaatssekretär war er unter Papst Franziskus die Nummer Zwei im Vatikan. Der aus Venezien stammende Kardinal ist ein klassischer Diplomat, der alle entsprechenden Kaderschmieden des Vatikans durchlaufen hat.
Als oberster Diplomat hat Parolin verstanden, die Wogen zu glätten, die Franziskus zum Beispiel hinsichtlich des Ukraine- oder des Gaza-Konflikts verursacht hatte. Ausserdem gilt er als Architekt des historischen Abkommens des Heiligen Stuhls mit China über die Ernennung von Bischöfen. Anders als der frühe Bergoglio ist er mit den Gepflogenheiten der Kurie bestens vertraut und verfügt in Rom über ein grosses Netzwerk.
Da Parolins Karriere ausschliesslich im vatikanischen Dienst ablief, war er selbst nie Diözesanbischof. Das ist ein Nach- und Vorteil zugleich. Parolin fehlt die «Strassenerfahrung» des Hirten. Gleichzeitig spielen Sorgen vor problematischen Umgängen mit Missbrauchsvorwürfen bei ihm kaum eine Rolle.
Kirchenpolitisch steht Parolin für Kontinuität: offen für die Abschaffung des Pflichtzölibats, gegen Frauenpriestertum, für Einbindung von Minderheiten und Geschiedenen. Falls gewählt, wäre Parolin ein klassischer Kompromisskandidat, auf den sich das liberale und das traditionelle Lager einigen könnten.
Allerdings gilt Parolin als Verwalter ohne Charisma. Auch ist er Italiener, was besonders bei aussereuropäischen Kardinälen auf Zurückhaltung stossen dürfte.

Pierbattista Pizzaballa (60) ist seit 2020 Patriarch von Jerusalem, wo er sich im gegenwärtigen Nahostkonflikt einen Namen gemacht hat. Auf ihn könnten sich Europäer und Nicht Europäer einigen. Das Konklave würde ihn aus Nahost holen, aus einer Gegend, die seit jeher ein Konfliktherd ist, und in der Christen eine Minderheit sind. Pizzaballa hat die «Strassenerfahrung», die Parolin fehlt.
Auch er ist Diplomat, der aber vor Ort erprobt ist. Pizzaballa könnte daher, obschon Italiener, bei den vielen neuen Kardinälen von den Rändern, die Franziskus ernannt hat, durchaus Akzeptanz finden. Kirchenpolitisch wird Pizzaballa dem eher konservativen Lager zugeordnet.
Allerdings gilt er mit seinen 60 Jahren als zu jung. Seine Wahl würde vermutlich eine Festlegung für die nächsten 20 bis 30 Jahre bedeuten. Daher wäre sie eine Überraschung – zumindest in diesem Konklave.

Lange galt der philippinische Geistliche Tagle (67) als «Franziskus Asiens» und möglicher nächster Papst. Tagle gilt als gemässigt liberal und bis zum «Caritas Internationalis»-Skandals 2022 hielten ihn viele «Vaticanisti» für einen wahrscheinlichen Papst-Kandidaten.
Die katholische Kirche wächst in Asien, und auf den Philippinen hat sie besonders grossen Einfluss. Allein in den Räumlichkeiten der Zentralbank werden täglich drei Messen gelesen. Tagle machte jung Karriere. 2012, im Alter von 54 Jahren, ernannte Papst Franziskus den damaligen Erzbischof von Manila zum Kardinal. Seit 2020 leitete er das Dikasterium für die Evangelisierung im Vatikan.
Das Ereignis, das ihn die Aussicht auf diese Papstwahl kosten dürfte, trat zwei Jahre später ein. 2022 entband ihn Franziskus seines Amtes als Präsident des internationalen Caritas-Dachverbands, dem Tage seit 2015 vorstand. Er soll Fällen von Mobbing und sexuellem Missbrauch nicht nachgegangen sein. Den Verband «Caritas Internationalis» unterstellte Franziskus damals der Leitung einer Sonderkommission – und enthob auch alle anderen Verantwortlichen ihrer Ämter.
Auch wenn keine konkreten Vorwürfe gegen Tagle vorliegen, dürften sich die wahlberechtigten Kardinäle eher scheuen, jemanden als Nachfolger zu wählen, der einmal durch den Papst des Amtes enthoben wurde.

Mario Grech (68) stammt aus dem tiefkatholischen Malta. Bis heute sind Abtreibungen verboten; zivile Ehescheidung ist erst seit 2011 möglich. Von 2005 bis 2020 leitete Grech das kleine maltesische Bistum Gozo mit knapp 30’000 Katholik:innen.
Im letzten Jahrzehnt hat sich Kardinal Grech augenscheinlich von einem Konservativen zu einem Liberalen gewandelt. Noch 2011 stemmte er sich gegen die Einführung der zivilen Ehescheidung. Vier Jahre später aber setzte er sich bei der Familiensynode für ein kirchliches Zugehen auf homosexuelle Paare ein – und überraschte damit viele. 2017 war er an den Leitlinien der maltesischen Kirche zur Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen beteiligt. In der Migrationsdebatte, die Grech auf Malta direkt erlebte, verurteilte er Populismus und unterstützte die Seenotrettung
Seit seiner Ernennung zum Generalsekretär der Bischofssynode (2020) ist Grechs Name untrennbar mit der Weltsynode verbunden. Seine Wahl zum Papst würde die Fortsetzung des synodalen Prozesses bedeuten, den Papst Franziskus begonnen hat – und allgemein wäre seine Wahl ein Votum für Kontinuität.
Gegen seine Wahl könnten die Vorwürfe sprechen, die jüngst von Missbrauchsbetroffenen erhoben wurden. So soll Grech Vorwürfe in seinem Bistum Gozo nicht schnell und umfassend genug aufgeklärt haben.

Robert Francis Prevost (69) gilt als ein Mann der Mitte – und damit als jemand, auf den sich beide Lager einigen könnten. Der Augustiner kennt die Kurie – seit zwei Jahren steht er dem wichtigen Dikasterium für die Bischöfe vor. In dieser Funktion war Prevost seither zuständig für einen Grossteil der Bischofsernennungen weltweit. Und er kennt die Weltkirche.
Aufgewachsen in Chicago, trat er 1977 dem Augustinerorden bei. Anschliessend entsandte ihn sein Orden als Missionar nach Peru. Bis Anfang der 2000er Jahre wechselte er zwischen verschiedenen Positionen in den USA und Peru. 2012 wurde er sogar Bischof in Peru.
Prevost ist durch seinen Weg also vertraut mit den Katholizismen des globalen Nordens und des Südens – und mit den Gegensätzen zwischen armer und reicher Weltkirche. All das macht Prevost für Kardinäle aus den verschiedenen Regionen und Lagern wählbar.
Aber auch Prevost ist in seiner Laufbahn mit dem Thema Missbrauch in Berührung gekommen. Im Jahr 2000, als er Provinzial der Augustiner im Mittleren Westen der USA war, erlaubte er einem Priester, der Minderjährige missbraucht hatte, in einem Seminar des Ordens zu wohnen. Das Seminar wiederum lag nur wenige hundert Meter von einer katholischen Schule entfernt. Ob es in dieser Zeit zu Vorfällen kam, ist nicht bekannt. Dennoch dürften die Kardinäle den Vorfall bei ihren Erwägungen nicht gänzlich ignorieren.

Pablo Virgilio David gehört mit seinen 66 Jahren ebenfalls zu den jüngeren «papabile». Aber in den letzten Tagen des Vorkonklaves habe er sich hervorgetan, heisst es auf Kreisen, die nah am Vatikan sind. David, der in seiner philippinischen Heimat liebevoll «Ambo» genannt wird, war einer der wenigen Bischöfe, die den Mut hatten, sich offen gegen die Gewalt des früheren Präsidenten Rodrigo Duterte zu stellen.
David gilt als ausgezeichneter Bibliker, der in Belgien und Jerusalem studiert hat. Trotz seines intellektuellen Profils entspricht «Ambo» dem Profil des pastoralen Hirten, das Franziskus geprägt hat.
Kirchenpolitisch gilt er als moderat und synodal. Er setzt sich für die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch ein – in Asien bisher ein weniger zentrales Thema als in Europa. Ohne Frage ist Kardinal David ein aufsteigender Stern der Kirche Südostasiens. In diesem Konklave aber könnten ihn die Kardinäle noch als zu jung befinden.

Felipe Neri Antonio Sebastiao do Rosario Ferrao (72) dürfte in Europa vielen unbekannt sein. Der Bischof aus dem indischen Goa und Daman gilt als pastoral und auf der Linie von Papst Franziskus. Er hat sich unter anderem durch seinen Einsatz für Umweltschutz und Migranten, mehr Teilhabe für Frauen in der Kirche einen Namen gemacht. Wie der deutlich bekanntere Pizzaballa, übt auch er sein Amt in einer Region aus, in der religiöse Konflikte bekannt und das Christentum selbst eine Minderheit ist.
Kardinal ist Felipe Neri Antonio Sebastiao do Rosario Ferrao seit 2022. Er gehört zu den Ernennungen durch Papst Franziskus aus der «Peripherie» der Kirche.

Tarcisio Isao Kikuchi (66) ist Erzbischof von Tokyo und der amtierende Präsident von «Caritas Internationalis». Dort ist er der Nachfolger von Luis Antonio Tagle, den Papst Franziskus nach dem Skandal abgesetzt hat (s. «Tagle: Papst-Kandidat mit Caritas-Skandal»).
Kikuchi ist erst seit Ende 2024 Kardinal und gehört dem liberalen Flügel an. Auch seine Wahl wäre ein Bekenntnis des Kardinalkollegiums zur Fortsetzung des Weges, den Franziskus eingeschlagen hat. Der Erzbischof setzt sich für Inklusion von homosexuellen Menschen ein, für Migranten, Klimaschutz und für eine synodale und missionarische Kirche.
Aufgewachsen ist Kikuchi in einem missionarischen Haushalt. Im Interview mit Vatican News berichtete der damals frischgekürte Kardinal, dass er von einem Schweizer Priester, der in Japan auf Mission war, aufgezogen wurde. Sollte Kikuchi tatsächlich Papst werden, dann sässe auch die Schweiz ein kleines bisschen auf dem Stuhle Petri.

Cristobal Lopez Romero (72) ist ein weiterer Europäer mit globaler Erfahrung, auf den sich auch nicht-europäische Kardinäle einlassen könnten. Romero stammt aus Andalusien und ist aktuell Erzbischof von Rabat (Marokko). Zuvor hat er viele Jahre in Bolivien und Paraguay verbracht. Romero ist also kein Vertreter der satten und reichen europäischen Kirche, sondern kennt den Globalen Süden, Weltgegenden, in denen Konflikte an der Tagesordnung sind, und das Christentum eine Minderheit.
Der Salesianer gilt als nahbar und jovial, aber auch als intellektuell und führungserfahren. Er ist ein Befürworter der Weltsynode. Auch wenn er als Papstkandidat gehandelt wird, so sagen Kritiker, dass man zu wenig von ihm wisse.
Fun Fact: Cristobal Lopez Romero wäre der erst bärtige Papst seit Innozenz XII. (1691-1700).

Stephen Brislin (68) ist Erzbischof von Johannesburg. Im Gegensatz zu vielen seiner afrikanischen Amtsbrüder gilt Brislin als «klassisch liberal». Immer wieder hat er sich gegen Armut, Korruption und für ethische Führung in Südafrika ausgesprochen.
Internationale Aufmerksamkeit bekam Brislin in Kirchenkreisen vor allem während des Streits um «Fiducia supplicans» (2023), dem pastoralen Segen für gleichgeschlechtliche Paare. Brislin befürwortet die Segnung – im Gegensatz zu den meisten afrikanischen Klerikern. Er betonte jedoch, dass ein Segen nicht als Legitimierung solcher Verbindungen verstanden werden dürfe.
Brislin dürfte für das liberale Lager wählbar sein, wenn das Konklave gleichzeitig ein Zeichen setzen und einen aussereuropäischen Kandidaten wählen möchte.

Die Stimmung im Vorkonklave war eine der Kontinuität. Daher gehen Vatikanbeobachter davon aus, dass ein eher liberaler Papst gewählt werden könnte. Ob es so auch kommt, ist alles andere als sicher.
Zu den aussichtsreichsten konservativen Kandidaten gehört der Ungar Peter Erdö (72). Erdö gilt als Intellektueller und Ratzingerianer. Er verfügt über zwei Doktorate: eines in Theologie (1976) von der Katholischen Péter-Pázmány-Universität, an der er später sowohl als Professor als auch als Rektor wirkte, und eines in Kanonischem Recht (1980) von der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom.
Sein akademischer Hintergrund dürften ihn vor allem für jene Papstwähler attraktiv machen, die sich nach Kontinuität in der Lehre der Kirche sehnen.
Für den liberalen Flügel hingegen dürfte Erdö nur schwerlich wählbar sein. Er stellt sich gegen die Zulassung Geschiedener zum Abendmahl, die Inklusion Homosexueller und hat die Aufnahme von Geflüchteten mit Menschenhandel gleichgesetzt. Seine Wahl wäre ein Bruch mit dem Pontifikat von Franziskus.

Als Erzbischof von Kinshasa vertritt Fridolin Ambongo (65) jene Weltgegenden, in denen die Kirche wächst. Der aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Ambongo hat sich einen Namen als theologisch konservativer Vertreter im Kardinalskollegium gemacht. Er gilt als rhetorisch begabt, temperamentvoll und findet deutliche Worte für seine Anliegen.
Bei Themen wie dem Schutz vor Ausbeutung und der Bewahrung der Schöpfung finden sich Parallelen zu Papst Franziskus. Dieser berief Ambongo 2020 in den Kardinalsrat, sein enges Beratergremium. In der Frage des kirchlichen Umgangs mit Homosexuellen ist der 65-Jährige indes ein strikter Gegner eines gelockerten Umgangs. Er verglich die Möglichkeit der Segnung Homosexueller mit einer «kulturellen Kolonialisierung» Afrikas durch den Westen.
Seit 2023 ist er Präsident des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM). Immer wieder legt er sich auch mit den politischen Eliten an, verurteilt Korruption, die Gier der Mächtigen, aber auch den Neokolonialismus westlicher Staaten.
Allerdings läuft gegen ihn eine gerichtliche Untersuchung durch den höchsten Gerichtshof in Kinshasa. Der Generalstaatsanwalt wirft ihm unter anderem Aufstachelung zum Aufstand vor.