
Schauriger Leichenprozess: 896 machte Papst Stephan VI. seinem toten Vorgänger Formosus den Prozess. Bild: Jean-Paul Laurens, Le Pape Formose et Étienne VI, 1870, wikimedia commons.
Konklave: heute gesittet, früher lebensgefährlich
Die Papstwahl verlief nicht immer so zivilisiert wie heute. Im Mittelalter mussten Papst-Kandidaten um ihr Leben fürchten.
Elisabeth Zschiedrich
133 Kardinäle unter 80 Jahren ziehen am 7. Mai ins Konklave. Die Altersgrenze gilt erst seit fünfzig Jahren, die Beschränkung auf den Kreis der Kardinäle schon seit fast einem Jahrtausend. Lange Zeit was das Konklave lebensgefährlich für Wähler und Gewählte.
Spielball der Interessen
Bis in die Neuzeit mischten bei der Papstwahl verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen mit: das Volk Roms, Priester und Mönche, Kaiser, Könige und italienische Familienclans. Dadurch entstand nicht selten Chaos. Zumal die Papstwahl einstimmig getroffen werden musste - eine Zweidrittelmehrheit gilt erst seit 1179.
Einmal auf dem Stuhle Petri angekommen, musste der Pontifex Maximus um Amt und Leben fürchten. Die 164 Jahre des sogenannten «saeculum obscurum», des «dunklen Jahrhunderts» (882–1046), sahen 45 Päpste – 14 von ihnen wurden ermordet oder landeten im Kerker. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum zwischen 1861 und 2025 waren es elf Päpste, Morde sind keine bekannt.
Schauriger Leichenprozess
Ungemach drohte den Päpsten nicht nur zu Lebzeiten und nicht nur von ausserhalb. So holte der neue, aber umstrittene Papst Stephan VI. (†897) seinen verstorbenen Vorgänger, Papst Formosus (†896), aus dem Grab – um dem Leichnam den Prozess zu machen.

Der Grund: Formosus hatte Stephan Jahre zuvor zum Bischof von Anagni geweiht. Für den neuen Papst war das ein Problem. Denn damals war Bischöfen ein Diözesenwechsel (anders als heute) verboten. Daher durfte Stephan, Bischof von Anagni, nicht Bischof von Rom und somit nicht Papst werden. Die Lösung: Stephan machte dem toten Formosus einen Prozess und erklärte dessen Wahl zum Papst für nichtig. In der Konsequenz galt seine eigene Bischofsweihe als ungültig. Sein Weg auf den Stuhl Petri war frei. Wenn auch nicht lange. Bereits ein Jahr später wurde Stephan abgesetzt und ermordet.
Konklave als Zwangsmassnahme
Ordnung in das Chaos zu bringen, darum waren viele Päpste bemüht. 1059 beschränkte Papst Nikolaus II. (†1061) das Wahlrecht auf Kardinäle. Dennoch blieben Papstwahlen auch in der Folge ein schmutziges Geschäft. Die Kardinäle liessen sich ihren Einfluss von politischen Gesandten bezahlen. Sie genossen die Privilegien der Sedisvakanz und zogen die Wahl in die Länge.
Besonders lang dauerte die Wahl 1270: Nach zweieinhalb Jahren Konklave gab es noch immer kein Ergebnis. Entnervt schloss der Bürgermeister die Kardinäle im Papstpalast ein und hielt sie dort bei Wasser und Brot. Wütende Bürger, die endlich einen neuen Papst wollten, entfernten sogar das Dach des Gebäudes. In der sengenden italienischen Sommerhitze kamen die Kardinäle schliesslich zu einem Ergebnis: Gregor X. (†1276) wurde gewählt. Nebenbei war das Konklave (cum clave: mit dem Schlüssel) erfunden, als erfolgreiche Zwangsmassnahme für sture Kardinäle.
Schlechte hygienische Verhältnisse
Aufgrund der Erfahrung seiner eigenen Wahl etablierte Gregor X. 1274 das Konklave als den einzig legitimen Ort der Papstwahl. Alle Kardinäle sollten sich während der Papstwahl an einem Ort aufhalten, abgeschieden von der Öffentlichkeit. Essen wurde durch ein Fenster gereicht. Gab es drei Tage nach Beginn des Konklaves noch kein Ergebnis, wurde der Umfang der Mahlzeiten reduziert.
Ab dem 15. Jahrhundert tagten und wohnten die Kardinäle bei der Papstwahl im Apostolischen Palast, seit dem 17. Jahrhundert wählen sie in der Sixtinischen Kapelle. Die Betten in den angrenzenden Räumlichkeiten waren dabei teils nur durch Vorhänge voneinander getrennt, die sanitären und hygienischen Verhältnisse oft schlecht. Vor allem im Sommer war die Enge des Konklavebereichs für die meist älteren, gesundheitlich oft angeschlagenen Kardinäle schwer auszuhalten.
Reform der Konklavevorschriften
Im Jahr 1996 reformierte Papst Johannes Paul II. die Konklavevorschriften. Seitdem gehört auch das Gästehaus Santa Marta zum Konklavebereich, die Kardinäle wohnen also deutlich komfortabler. Statt der Zwangsmassnahme steht die liturgische Ausgestaltung im Vordergrund. Zu einer zeitlichen Ausdehnung des Wahlverfahrens ist es seitdem trotzdem nicht gekommen: die Wahl von Papst Benedikt XVI. und von Papst Franziskus dauerte nur jeweils zwei Tage.