
Kardinal Kasper war 2005 und 2013 Papstwähler. Er ist aktuell in Rom und nimmt am Vorkonklave teil. Foto: Vatican News
Kardinal Kasper: Bislang keine Ruck-Rede im Vorkonklave
Im Vorkonklave habe sich noch kein Kardinal hervorgetan. Die meisten Kardinäle wollten aber den Weg von Franziskus fortführen, so Kardinal Kasper in einem Interview.
Laut dem Vorgänger von Kurienkardinal Kurt Koch in Rom, Kardinal Walter Kasper, hat es beim bisherigen Vorkonklave in Rom keine Ruck-Rede gegeben. «Bislang gab es keine revolutionäre Rede, sondern differenzierte Stellungnahmen. Sie gingen in die eine oder andere Richtung», sagte Kasper im Interview mit dem «SonntagsBlick». 2013 war das anders – damals hatte Jorge Mario Bergoglio, der spätere Papst Franziskus, mit einer Rede im Vorkonklave für Aufsehen gesorgt: Die Kirche dürfe keinem «theologischen Narzissmus» verfallen, sondern müsse an die Ränder gehen, sagte der damalige Erzbischof von Buenos Aires.
Kardinäle wollen Weg von Franziskus weitergehen
Laut dem deutschen Kardinal Kasper wollen die meisten Kardinäle den Weg von Papst Franziskus weitergehen. Auch dessen konservativen Kritiker im Kardinalskollegium hätten wahrgenommen, «wie begeistert die Menschen von seinem Stil waren – das zeigte sich anlässlich der Beerdigung», ist Kardinal Kasper überzeugt. «Franziskus hat eine neue Art des Papstseins vorgelebt. Er wollte mitten unter den Menschen sein, er hat ihre Sprache gesprochen, besass nichts Abgehobenes, sondern stellte die Armen ins Zentrum und zeigte: Die Kirche hat den Menschen auch heute etwas zu sagen.»
Auf den Reformstau in der katholischen Kirche angesprochen, sagte Kasper über Papst Franziskus: «Er hat Gott sei Dank sehr viel angestossen, konnte das aber nicht zu Ende führen. In zwölf Jahren können Sie eine Kirche mit 1,4 Milliarden Menschen nicht umkrempeln. Das braucht Zeit und Geduld.» Dass unter Franziskus der Zölibat nicht gelockert wurde und Frauen nicht zu Diakoninnen geweiht wurden, hat für Kasper mit Bremsern im Vatikan zu tun. «Unter römischen Kardinälen und Bischöfen gab es Bremser, denen der Papst Rechnung tragen wollte. Von Amts wegen ist er der Einheit der gesamten Kirche verpflichtet. Um eine Zerreissprobe zu vermeiden, beantwortete er beide Fragen nicht negativ, sondern liess sie vielmehr unbeantwortet. Das langsame Tempo der katholischen Kirche mag für viele unbefriedigend sein, aber die Einheit der 1,4 Milliarden Katholiken aus den unterschiedlichsten Kulturen hat ihren Preis: Die Geduld ist die kleine Schwester der Hoffnung.»
St. Galler Mafia ein Mythos
Kasper war Teil des Konklaves 2005 und 2013. Beim Konklave, das am Mittwoch beginnt, darf er aufgrund seines Alters von 92 Jahren nicht teilnehmen. Er nimmt aber an den Sitzungen des Vorkonklaves teil. Thema des Interviews war auch die «Mafia von St. Gallen», einem sagenumwobenen Gesprächskreis, der sich am ehemaligen Sitz des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen in der Ostschweiz traf – Kasper galt als Teil der sogenannten «Mafia von St. Gallen». im Gespräch mit «SonntagsBlick» relativiert er den Einfluss des informellen Gremiums: «Die St. Galler Mafia ist eine Erfindung von Journalisten aufgrund einer launigen Bemerkung von Kardinal Godfried Danneels von Mecheln-Brüssel.
Richtig sei: Es gab auf Anregung von Kardinal Carlo Martini aus Mailand einen Gesprächskreis von befreundeten europäischen Bischöfen und Kardinälen, die sich einmal im Jahr nach Weihnachten in St. Gallen trafen. Wir haben uns über unsere pastoralen Erfahrungen und Probleme und die Situation der Kirche ausgetauscht – nie aber darüber, wer der künftige Papst sein soll.» Der Kreis habe sich nach der Wahl von Papst Benedikt 2005 aufgelöst und als solcher bei der Wahl von Papst Franziskus 2013 gar nicht mehr existiert. «Einzelne ehemalige Mitglieder trafen sich nach der eindrucksvollen Ruck-Rede von Kardinal Bergoglio mit anderen Kardinälen und erörterten dessen Wahl. Dass es dann im Konklave zur notwendigen Zweidrittelmehrheit für ihn kam, war nicht das Werk einer relativ kleinen Mafia, sondern das Werk des Heiligen Geistes.» (ALM)