Der frühere RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch weiss, was die Schweizer Oberhirten tun könnten, um Kirche synodaler zu machen. Foto: Paulus Akademie
Daniel Kosch: «Black-Box» Bischofskonferenz ist mit einer synodalen Kirche nicht zu vereinbaren
Der frühere RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch sagt, welche Baustellen die Schweizer Bischofskonferenz nun anpacken muss, um echte Transparenz und Synodalität zu schaffen. Fünf Punkte, für die sie keine Zustimmung aus Rom brauchen. Ein Gastbeitrag.
Daniel Kosch*
2022 lieferten die Schweizer Katholik:innen ihre Wunschliste für die Weltsynode in Rom ab: Geteilte Machtausübung, Ausgrenzung beenden, Regionalisierung, Stärkung der Rolle der Frauen, etc. Nach dem Ende der Weltsynode kommt es jetzt zum Seitenwechsel: Der Papst spielt den Ball an die Ortskirchen zurück. Sie sind nun gefordert, zahlreiche Postulate des Abschlussberichtes umzusetzen.
Bischöfe müssen Bälle spielen
Franziskus hat in einem Schreiben erklärt, der Bericht sei «Teil des ordentlichen Lehramtes». Damit ist er genauso verbindlich, als hätte der Papst selbst ihn verfasst. Im Abschlussbericht heisst es, die Bischöfe sollen nicht nur in Rom über ihre Fortschritte berichten, sondern auch gegenüber dem «heiligen Volk Gottes» Rechenschaft ablegen. Es sind nicht mehr die «übergriffigen» Landeskirchen oder «bischofskritische» Reformkräfte, die solches fordern. Die Weltsynode und der Papst wollen es so.
Rom hat der Schweizer Kirche jetzt zahlreiche Bälle zuspielt. Meines Erachtens sollten die folgenden fünf nun aufgenommen und weitergespielt werden.
1. Synodaler Rat neben «Black-Box»-Bischofskonferenz
Die Bischofskonferenz soll durch einen synodalen Rat ergänzt werden – das Synodenpapier spricht hier von «Kirchenversammlung». Gemeint ist ein Gremium, das in die Beratungen und Entscheidungen einbezogen und transparent über die Arbeiten der Konferenz informiert wird. Dem Rat sollen auch nichtgeweihte Männer und Frauen angehören. Und er soll Kompetenzen erhalten, z.B. Rechenschaftsberichte abzunehmen, an pastoralen Planungen oder wichtigen personellen Weichenstellungen mitzuwirken.
Weichen die Bischöfe in ihrer Entscheidung vom Rat dieses Gremiums ab, müssen sie dies begründen. Mit einer synodalen Kirche ist die «black-box» Bischofskonferenz nicht mehr zu vereinbaren. Es soll nicht mehr so sein, dass ein Dutzend Männer unter sich und ohne Begründungspflicht Dinge entscheiden, die Hunderte von Seelsorgenden betreffen und das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit prägen.
2. Weiterentwicklung des dualen Systems
In den schweizerischen Kirchenstrukturen spielt das «duale System» eine wichtige Rolle. Vereinfacht heisst das bisher: Die Bischöfe und für die Seelsorge Verantwortlichen entscheiden hierarchisch über die pastoralen Fragen – die staatskirchenrechtlichen Behörden entscheiden demokratisch über die Finanzen.
Diese Rollenteilung reisst auseinander, was zusammengehört: die Pastoral und die finanziellen Mittel, die es dafür braucht. Und sie reduziert die Behördenmitglieder auf «Financiers», als ob nicht auch sie Getaufte und Gefirmte wären, die für das Leben der Kirche auch inhaltlich Mitverantwortung tragen. Die Weiterentwicklung der dualen in synodale Strukturen hat eine hohe Priorität. Denn es ist absehbar, dass schwierige Finanzfragen mit weitreichenden pastoralen Auswirkungen auf die Kirche zukommen. Diese können nur im verbindlichen Miteinander gelöst werden.
3. Entrümpeln statt zusätzlicher Gremien
Der synodale Prozess hat gezeigt, wie wichtig das möglichst unvoreingenommene Zuhören und das sorgfältige Unterscheiden sind, um zu reifen und tragfähigen Entscheidungen zu gelangen. Angesichts der allgegenwärtigen Beschleunigung und unserem von Zeitknappheit geprägten Sitzungskatholizismus mit seinen unzähligen Gremien fehlt es dafür an geeigneten Formen und an der inneren Ruhe.
Zusätzlich synodale Räte zu schaffen, ist daher keine Lösung. Gefragt sind mutiges «Entrümpeln» und Beschränkung auf das Wesentliche, sowohl was die Gremienlandschaft als auch was die Traktandenlisten betrifft. Anders kann der Kulturwandel hin zu einer synodalen, von allseitiger Hör- und Lernbereitschaft geprägten Kirche nicht gelingen.
4. Mission durch das Volk Gottes
Auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens soll die für Deutschschweizer Ohren sperrige, aber für eine synodale Spiritualität zentrale Aussage aufgenommen werden, dass «wir alle missionarische Jüngerinnen und Jünger» sind. Die Kirche der Zukunft wird immer weniger eine «Angestelltenkirche» (Bischof Felix Gmür) sein. Es wird noch weniger als heute funktionieren, die Weitergabe des Glaubens den pastoralen Mitarbeitenden zu überlassen und quasi als «Gegenleistung» Kirchensteuern zu bezahlen.
Es wird vermehrt ganz «gewöhnliche Menschen» brauchen, die den Glauben so ins Spiel bringen, dass er dem Leben dient, die Hoffnung stärkt und die Menschen berührt. Es gilt, gemeinsam zu entdecken, welche Sprache, welche Lieder und Zeichen des Glaubens zu uns und zu dieser Aufgabe passen. Synodalität heisst nicht «irgendwie» gemeinsam unterwegs sein, sondern gemeinsam die Spuren Jesu in der Welt von heute zu suchen und ihnen zu folgen.
5. Rechenschaft öffentlich machen
Grossen Wert legt das Abschlussdokument der Weltsynode auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluation unter Beizug von Fachpersonen. Dabei geht es unter anderem um Finanzen, um Evaluierung von Ämtern und Aufgaben, sowie um Fortschritte in der wirksamen Beteiligung des Volks Gottes und in der Missbrauchsprävention.
Um verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen, Transparenz zu schaffen und aufzuzeigen, dass die Beiträge der Körperschaften an die Bistümer effizient eingesetzt werden, sollten die Bistümer, aber auch die Domkapitel und vielfältigen kirchlichen Stiftungen ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen und dazu übergehen, transparent über ihr Wirken Rechenschaft ablegen.
Ob diese fünf Vorschläge tatsächlich die wichtigsten der vielen Bälle sind, welche die Synode und der Papst der Kirche in der Schweiz zuspielen, kann man diskutieren. Ebenso ihre Reihenfolge. Dabei sollte aber nicht zu viel Zeit verloren gehen. Denn es heisst im Synodenbericht: «Ohne konkrete kurzfristige Veränderungen wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird diejenigen Mitglieder des Volkes Gottes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben. Die Ortskirchen müssen Wege finden, um diese Veränderungen umzusetzen».
Daniel Kosch (66) war von 2001 bis 2022 Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). In dieser Zeit hat er die Schweizer Kirche und ihr duales System geprägt. Der promovierte Theologe und Finanzexperte ist von Synodalität überzeugt.
2023 erschien sein Buch «Synodal und demokratisch. Katholische Kirchenreform in schweizerischen Kirchenstrukturen» im Verlag Edition Exodus.