
Simone Curau-Aepli präsidierte den Katholischen Frauenbund 9 Jahre. Foto: Sylvia Stam
Simone Curau: «Katholisch anders zu definieren, liegt nicht in unserer Macht»
Simone Curau-Aepli (63) tritt nach 9 Jahren als Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds zurück. Ein Gespräch über Profil und Herausforderungen des Dachverbands.
Interview: Sylvia Stam
«pfarrblatt»: Nach Ihrer Wahl zur SKF-Präsidentin 2016 nannten Sie als eines Ihrer Ziele, dass der SKF an Profil gewinnt. Ist Ihnen dies gelungen?
Simone Curau-Aepli: Ja, innerhalb des Verbands konnten wir die Positionen des SKF besser verankern. Durch unser Mitwirken in Reformorganisationen wie der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» (AGK) oder dem internationalen Netzwerk «Catholic Women’s Council» (CWC) haben wir auch nach aussen an Profil gewonnen.
Und über die katholische Kirche hinaus?
Simone Curau-Aepli: Unsere Reaktion auf den Shitstorm gegenüber Sanija Ameti wurde breit wahrgenommen. Viele waren überrascht, dass ausgerechnet wir als katholische Frauen uns gegen das Bashing gegenüber Ameti eingesetzt haben. Da zeigte sich beispielhaft unser neuer Claim: «überraschend anders katholisch».
Am Ende Ihrer Amtszeit steht die Streichung des K für “katholisch” aus dem Verbandsnamen zur Diskussion. Kritikerinnen dieses Vorhabens finden dies eher einen Verlust an Profil.
Simone Curau-Aepli: Kritiker:innen sind vor allem Frauen und Männer, die stark in der Kirche verankert sind, weil sie in der Kirche arbeiten oder weil sie das «K» sehr positiv bewerten. Der SKF ist innerhalb der katholischen Kirche eine Stimme, die für viele noch Hoffnung vermittelt, weil wir «katholisch» so leben, wie es für uns wichtig ist. Ich kann den Kritike:innen versichern: Der Frauenbund bleibt Teil der katholischen Kirche. Wir bringen uns auch weiterhin aktiv in kirchliche Prozesse ein.
Das Anliegen, das «K» aus dem Namen zu streichen, ist nicht neu.
Simone Curau-Aepli: Nein, auch am Tag meiner Wahl 2016 wurde ein solcher Antrag gestellt. In den letzten Jahren ist das Image der katholischen Kirche derart schlecht geworden, dass wir feststellen müssen: Wir überschätzen uns, wenn wir glauben, «katholisch» anders definieren zu können. Das liegt nicht in unserer Macht.
Anlässlich des Frauenstreiks 2019 lud der SKF Kirchenfrauen ein, unter dem Slogan «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.» mitzumachen. Woran erinnern Sie sich besonders?
Simone Curau-Aepli: Angefangen hat der Frauenstreik für mich einen Monat vorher, an unser DV in Basel. Plötzlich ging die Türe auf und acht Frauen kamen herein mit pinken Mitren und pinken Stiefeln. Mit diesem starken Zeichen haben sie den Frauenstreik angekündigt und viele dafür begeistert. Am Frauenstreiktag selbst war ich im Thurgau und St. Gallen unterwegs. Wir hatten riesige pinke Ballone mit dem Slogan beschriftet und haben damit viele positive Reaktionen ausgelöst, auch bei Menschen ausserhalb der Kirchenbubble.
2020 gab es auf Initiative des SKF erstmals ein Treffen zwischen Frauenbund und der Schweizer Bischofskonferenz in Delémont. Hat das rückblickend irgendetwas verändert für die Frauen in der Kirche Schweiz?
Simone Curau-Aepli: Die Begegnung war sehr nachhaltig. Beim Ringen um eine gemeinsame schriftliche Erklärung haben beide Seiten Schritte aufeinander zu gemacht. Allein dieser Prozess hat bei allen Beteiligten viel bewirkt.
Es war für uns eindrücklich, die unterschiedlichen Kulturen innerhalb der Bischofskonferenz wahrzunehmen. In deutschsprachigen Bistümern sind Handlungen möglich,, die kirchenrechtlich nicht ganz konform sind. Für den Tessiner Bischof war es damals nicht vorstellbar, dass ein Bischof eigenständige Entscheidungen treffen könnte, die sich mit dem Kirchenrecht reiben. Ähnliches gilt für die Bischöfe der Romandie.
Hat sich hier etwas nachhaltig verändert?
Simone Curau-Aepli: Ja. Vor wenigen Wochen hat die Tessiner «Unione feminile» dem Bischof ein Dossier übergeben mit dem Titel: «Hier sind wir, sende uns!». Corinne Zaugg vom Tessiner Frauenbund war 2020 beim Treffen mit den Bischöfen dabei. Dieser Kontakt ist seither stetig gewachsen. Wie wir als Frauenbund gegenüber den Bischöfen aufgetreten sind, wie wir sie in die Pflicht genommen, ihnen widersprochen haben, das kannte sie nicht und hat bei ihr viel ausgelöst. Ähnliche Reaktionen gab es bei den Vertreterinnen des «Réseau des femmes en Église», dem Netzwerk aus der Romandie.
Mit was für Schwierigkeiten waren Sie in Ihrer Amtszeit konfrontiert?
Simone Curau-Aepli: Eine Begegnung mit Nuntius Thomas Gullickson war ganz schlimm. Im Rahmen der Allianz «Es reicht!» (Vorgängerorganisation der «Allianz Gleichwürdig Katholisch», d. Red.) überreichten die Luzerner Theologin Jacqueline Keune, Andreas Hegglin als Sekretär der Herbert Haag-Stiftung und ich ihm eine Petition. Darin forderten wir, nach der Emeritierung von Bischof Vitus Huonder einen apostolischen Administrator einzusetzen, damit das Bistum zur Ruhe kommen könne.
Was war so schlimm an dieser Begegnung?
Simone Curau-Aepli: Gullickson hat uns zugetextet mit seinen Ansichten über die «dysfunktionale» Kirche Schweiz. Wir hatten uns minutiös vorbereitet, aber nach zwei Stunden waren wir nahezu traumatisiert. Er schimpfte über das duale System, beklagte, dass es in Bern nur an einem einzigen Ort eine Eucharistiefeier gebe etc. Wir spürten keinerlei Bereitschaft, sich auf uns einzulassen. Er sprach gut Deutsch, aber ich habe ihn dennoch nicht verstanden.

Was war verbandsintern schwierig?
Simone Curau-Aepli: In den letzten Jahren stellen wir eine verstärkte Tendenz fest, dass Ortsvereine sich aus dem Kantonalverband und aus unserem Dachverband verabschieden. Das gilt vor allem für das Wallis. Die Kirche dort kennt keine Kirchensteuer und keine Kantonalkirche, daher hat sie weniger Geld, dafür habe ich Verständnis. Schwierig finde ich jedoch, dass der Wert, Teil von etwas Grösserem zu sein, zunehmend fehlt.
Das Auflösen von funktionierenden Frauengemeinschaften tut mir immer wieder sehr weh, weil nicht erkannt wird, was damit verloren geht. Vor einigen Jahren wurde der Frauenverein St. Leodegar in Luzern mit noch über 300 Mitgliedern aufgelöst, weil sie keine Vorstandsmitglieder fanden.
Orts- und Kantonalverbände haben Mühe, Vorstandsmitglieder zu finden. Wie sind Sie damit umgegangen?
Simone Curau-Aepli: Wir haben ein Konzept skizziert, darin appellieren wir an die Verantwortung von Seelsorgeteam und Kirchenbehörden, Menschen zu ermöglichen, sich sinnstiftend in die Gemeinschaft einzubringen. In Weinfelden kam dies zum Tragen: Hier übernahm eine seelsorgerliche Mitarbeiterin der Pfarrei den Vorsitz der Frauengemeinschaft. Buchhaltung, Kommunikation und Aktuariat sind beim Sekretariat der Kirchgemeinde. Im Vorstand können sich Frauen nun nur projektmässig engagieren. Das tun inzwischen sechs Vorstandsfrauen, fünf davon mit Migrationshintergrund.

Auch der Frauenbund spürt den Mitgliederschwund. Was bedeutet das für die Finanzierung?
Simone Curau-Aepli: Wir verlieren jedes Jahr rund drei Prozent der Mitglieder wegen Überalterung und Austritten von Ortsvereinen. Auch dürfte der nächste Leistungsvertrag mit der RKZ, dem Dachverband der Landeskirchen, tiefer ausfallen als bisher, weil auch die RKZ sparen muss. Wir lancieren neu ein Verbands-Fundraising. Wir zeigen Organisationen, Stiftungen und Firmen auf, dass der Frauenbund eine wichtige Stimme von Frauen in Gesellschaft, Politik und Kirche ist.
Wofür werden Sie die frei gewordene Zeit einsetzen?
Simone Curau-Aepli: Ich bleibe in den Trägervereinen der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» und des «Catholic Women’s Council CWC». Ich stelle mich zudem als Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Volksvereins zur Wahl. Dieser hat die Aufgabe, Initiativen von Lai:innen in der Kirche zu fördern. Darüber hinaus werde ich eher lokal neue Aufgaben zu übernehmen.
Erstmals Co-Prädidium
Simone Curau-Aepli (63) präsidiert den SKF seit 2016 und tritt an der Delegiertenversammlung vom 23. Mai zurück. Für ihre Nachfolge stellen sich Katharina Jost (Luzern) und Pia Viel (Aargau) im Co-Präsidium zur Verfügung. Jost ist Theologin und Pfarreiseelsorgerin im Pastoralraum Hürntal (LU). Sie ist aktuell Vize-Präsidentin des SKF und vertritt diesen in der «Allianz Gleichwürdig Katholisch». Pia Viel präsidiert aktuell den Aargauischen Katholischen Frauenbund und ist Vorstandmitglied der «Mitte»-Partei des Kantons Aargau. Mit Jost und Viel wird der Frauenbund erstmals ein Co-Präsidium haben.
Simone Curau-Aepli ist Mitglied des Thurgauischen Katholischen Frauenbundes. Von 2009 bis 2012 war sie Vizepräsidentin der CVP-Frauen Schweiz. 2013 wurde sie in den Vorstand des SKF gewählt. Nach neun Jahren und drei Amtszeiten im Vorstand des SKF konnte sie 2021 für eine vierte Amtszeit kandidieren, weil «die Bedürfnisse des SKF» dies pandemiebedingt erforderten, hiess es damals.
Die Delegierten entscheiden zudem darüber, ob der Schweizerische Katholische Frauenbund in Frauenbund Schweiz umbenannt werden soll.