Collage: Sarah Gloor / iStock

Mutig sein

01.05.2025

Buchtipp aus der ökumenischen Buchhandlung voirol


Mariann Edgar Budde ist die erste Bischöfin der Episkopalkirche des Bistums Washington. Als Donald Trump 2020 gewaltsam gegen die «Black-Lives-Matter»-Demonstration vorging, kritisierte sie ihn lautstark. In ihrer Predigt zur zweiten Amtseinführung Trumps fand sie erneut klare Worte gegen seine menschenverachtende Politik und richtete sich mit der Bitte um Erbarmen direkt an ihn. Die Mitschnitte dieser Predigt gingen um die Welt.

Anlass zu Mariann Edgar Buddes Buch «Mutig sein» war Donald Trumps Auftritt vor der St. John’s Cathedral der Episkopalkirche in Washington am 1. Juni 2020. Er liess Demonstrierende gewaltsam entfernen und hielt eine Bibel verkehrt herum in die Fernsehkameras. Die Bischöfin reagierte darauf auf CNN: «Der Präsident benutzte soeben die Bibel (…) und eine der Kirchen in meiner Diözese ohne Erlaubnis als Requisit und Kulisse für eine Botschaft, die völlig im Gegensatz zu den Lehren Jesu steht.» Dieser Auftritt erforderte Mut.

In ihrem Buch geht es um Entscheidungen im Leben. Als Gläubige ist die Autorin überzeugt, dass Gott in solchen Situationen am Werk ist, dass von uns allen Heldenhaftes möglich ist und Gottes unerklärliches Wirken durch uns Realität wird. In sieben Kapiteln zeigt die Bischöfin, wie einzigartig und universell solche Momente und Entscheidungen sind: zu gehen, zu bleiben, etwas Neues zu beginnen, zu akzeptieren, was wir nicht ändern können, sich Herausforderungen zu stellen, mit Enttäuschungen umzugehen und Durchhaltevermögen aufzubringen. Sie ist sich auch bewusst, dass jede Entscheidung die Last nachteiliger Folgen in sich trägt.

Mariann Edgar Budde erzählt von eigenem Ringen und Durchhalten, von Rückschritten und vom Umgang mit Schmerzhaftem. Dazwischen spiegelt sie ihre Erfahrungen in biblischen Geschichten und Erkenntnissen. Im Kapitel «Akzeptieren, was man nicht selbst gewählt hat» etwa berichtet sie über ihre Rückenschmerzen und verbindet sie mit Bonhoeffers Haft und der Ablehnung, die Paulus erfuhr. Sie sieht, dass der gekreuzigte Jesus für viele zu einer Symbolfigur menschlichen Leidens wurde und seine  Auferstehung zur Verheissung, dass Schmerz und Tod nicht das letzte Wort haben. Die Sühnetheorie als Erklärung des Leids ist für sie unvollständig. Stattdessen interpretiert sie Martin Luther Kings Tod als erlösendes Leiden, um der Liebe und des Allgemeinwohls willen:

«Zu akzeptieren, was wir nicht selbst gewählt haben, bedeutet zu glauben, dass Gott gegenwärtig ist und auf eine Weise wirkt, die wir nicht begreifen können. Wir nehmen die Stellen, an denen wir zerbrochen sind, als wesentlichen Teil eines mutigen Lebens an.»

«Mutig sein» ist ein Glaubenszeugnis einer bescheidenen Frau aus einer konfessionellen Minderheit der USA. Dennoch hat die Episkopalkirche nationale Bedeutung: In ihrer Kathedrale, der zweitgrössten in den USA, werden seit den 1930ern die Amtseinführungsgottesdienste der US-Präsidenten abgehalten. Etwa ein Fünftel von ihnen gehörte bislang zu dieser Glaubensgemeinschaft.

Gallus Weidele

Mutig sein, Mariann Edgar Budde,
S. Fischer Verlag 2025, 272 Seiten, Fr. 31.90