
Seit dem 17. Jahrhundert gilt der Wonnemonat Mai im Christentum als Marienmonat. Foto: unsplash.com
Mai: Monat der Frauen
Von den römischen Göttinnen Maia und Flora über Walpurgis bis hin zur Gottesmutter Maria – stets dominierten Frauen das Geschehen im Mai.
Nicole Arz
Maia, der römischen Schöpfungs- und Wachstumsgöttin, hat der Mai seinen Namen zu verdanken. Die volksfestartigen Spiele mit Fruchtbarkeitsriten und Opfern hielten die Römer:innen aber zu Ehren der Göttin Flora ab, Herrin über Pflanzen und alles Blühende – ein Brauch, der im Mittelalter in der Vertreibung des Winters und der Begrüssung des Frühlings seine Fortsetzung fand.
Da der 1. Mai als Auftakt zur warmen Jahreszeit galt, wurden am Tag zuvor der Winter und seine Dämonen mit viel Lärm verabschiedet. Die im Namen der heiligen Walpurgis entfachten Feuer sollten die bösen Geister vertreiben, Pest, Seuchen und Tollwut fernhalten. Maibäume wurden aufgestellt und das schönste Mädchen der Gegend zur Maikönigin gewählt.
Seit der Renaissance zieht sich zudem der Mythos von den auf Besen fliegenden Frauen, die sich in der Walpurgisnacht zum Tanz mit dem Teufel treffen, durch die Geschichte. Treffpunkt waren Bergkuppen und Höhenzüge. Insbesondere der Brocken im Harz (D) geriet in den Ruf, Schauplatz dämonischer Orgien zu sein.

Der Mai wird Marienmonat
Ab dem 17. Jahrhundert bemühte sich die Kirche darum, die heidnischen Maifeste römischen und germanischen Ursprungs in christliche Feierlichkeiten umzuwandeln und den Mai zu einem Marienmonat zu machen. Da im Mai noch kein Marienfest liturgisch positioniert war, sollte der Mai, schönster Monat des Jahres, in seiner Gesamtheit der «Schönsten aller Frauen» geweiht sein.
Die Verehrung Mariens als Jungfrau und Gottesmutter vollzog sich vor allem in den Maiandachten. Hintergrund dieser Feiern war eine Folge von Missernten zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Man traf sich ursprünglich, um für gedeihliches Wetter und gute Ernte zu beten, und versammelte sich ab jetzt um die sogenannten «Maialtäre» in Kirchen oder Wohnhäusern. Eine besonders mit Blumen und Kerzen geschmückte Marienstatue bildete den optischen Mittelpunkt.
Während der beiden Weltkriege empfahlen die Päpste Benedikt XV. (1915) und Pius XII. (1939) die Maiandachten als besondere Gelegenheit, um für den Frieden zu beten. Papst Pius XII. betonte diesen Friedensaspekt der Maiandachten regelmässig während des gesamten Zweiten Weltkriegs.
Kategorischer Imperativ der Freude
Im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte das marianische Brauchtum im Mai den Stellenwert von frommen Übungen und sollte sich deutlich unterscheiden von jenen Marienfesten, die zur römisch-katholischen Liturgie gehören. Auch sollten die sogenannten Herrenfeste, die oft in den Mai fallen, wie Pfingsten und Himmelfahrt, stärker betont werden, um eine übertriebene Marienfrömmigkeit einzudämmen.
Und unser Mai? An Walpurgis wird in den Mai getanzt, es werden Maifeuer entzündet, Maibäume aufgestellt, mancherorts werden Streiche gespielt, es gibt nach wie vor Marienfeierlichkeiten und Maiandachten. Mittlerweile ist zur Freude der Florist:innen der Muttertag hinzugekommen.
Der Mai hat es immer noch in sich. Oder wie es der deutsche Dramatiker und Lyriker Friedrich Hebbel (1813–68) ausdrückte: «Ein Maitag ist ein kategorischer Imperativ der Freude.»