Amina Hamzic im Gespräch mit Abt Urban Federer. Foto: Magdalena Thiele

«Islamische Gemeinden haben etwas Demokratisches»

Das Kloster Einsiedeln und die albanische IKRE-Moschee in Thun pflegen einen lebendigen Austausch. Beim Besuch einer Schülergruppe der Stiftsschule mit Abt Urban wurde deutlich: Der Islam ist längst nicht mehr fremd.

 

Magdalena Thiele*

Zu Gast in einer Moschee zu sein, ist für Olivia und Marcelina nichts grundsätzlich Neues, dennoch etwas Besonderes. Beide besuchen die Maturaklasse der Stiftsschule Einsiedeln und haben Religion als Ergänzungsfach gewählt.

Einsiedler Schüler:innen in Thun

Diese Wahl führt sie heute gemeinsam mit Abt Urban Federer und Pater Cyrill Bürgi nach Thun in die albanische IKRE-Moschee. Bevor es Wasser und Kuchen gibt, gibt Imam Azir Aziri den rund 20 Gymnasiast:innen eine kurze Einführung in die Grundpfeiler des Islam.

«Es war sehr interessant, dem Imam zuzuhören», sagt Marcelina anschliessend. «Vieles kannte ich aber schon. Mein Schwager ist Muslim, meine Schwester Katholikin.» Allerdings habe sie bisher nicht gewusst, dass ein Imam von seiner Gemeinde gewählt wird. «Das hat etwas Demokratisches, das gefällt mir gut», sagt die 18-Jährige. «Ein bisschen davon könnte ich mir auch für die katholische Kirche vorstellen.»

«Grundlegendes haben wir in der Vorbereitung auf unseren Besuch bereits im Unterricht besprochen», ergänzt Mitschülerin Olivia. «Aber es ist viel eindrücklicher, die Dinge vor Ort erklärt zu bekommen.»

Aus Thun, Bern und der ganzen Welt

Vieles ist doch anders als im Kloster Einsiedeln. Männer und Frauen beten grundsätzlich in getrennten Räumen. «Die räumliche Trennung ist nicht zwingend erforderlich», erklärt Imam Aziri. «Allerdings ist es wichtig, dass die Männer beim Gebet Richtung Mekka vor den Frauen platziert sind.»

Aziri selbst stammt aus Nordmazedonien, hat unter anderem in Medina studiert und spricht neben Albanisch auch fliessend Arabisch. Seine Predigten in der IKRE-Moschee hält er ausschliesslich in seiner Muttersprache. Für diejenigen aus der Gemeinde, die kein Albanisch sprechen, wird die deutsche Übersetzung an die Wand projiziert – es sei ihm wichtig, dass die Gläubigen seinen Worten folgen können, betont Aziri.

Ins IKRE - Islamische Kulturzentrum kommen Muslime aus der Region Thun, dem Berner Oberland und oft auch von weit her, um zu beten. «Heute hatten wir eine Gruppe aus Indonesien zu Gast», erzählt Aziri.

Als Mitglied des Dachverbands der albanisch-islamischen Gemeinschaften der Schweiz stehen sie seit einigen Jahren in engem Austausch mit den Einsiedler Mönchen. Gegenseitige Besuche wie der heutige sollen den interreligiösen Dialog fördern und zum besseren gegenseitigen Verständnis beitragen.

Fake News und Vorurteilen begegnen

«Wir wissen immer noch zu wenig voneinander. Und leider existieren, besonders durch die sozialen Medien verbreitet, viele Fake News und Vorurteile. Der persönliche Dialog hilft uns, diese zu überwinden», sagt Imam Aziri. «Der wahre Islam findet hier in der Moschee statt und nicht auf TikTok.»

Und noch etwas anderes wünscht sich Aziri: Für die Muslime in der Schweiz sei es nicht einfach, keine anerkannte Religionsgemeinschaft zu sein. Das sollte sich seiner Ansicht nach ändern. Aziri wünscht sich, mit den Landeskirchen gleichgestellt zu werden. «Wir gelten vor dem Gesetz als Verein, aber wir sind kein Verein. Wir sind eine Religion. Es braucht in diesem Punkt ein Aufeinander-Zugehen von beiden Seiten.»

Seit zwei Jahren mit Hijab

Den Islam erforschen und für Anerkennung werben – das ist auch das Ziel von Amina Hamzic. Die 21-Jährige studiert Islamwissenschaften an der Universität Bern und engagiert sich ehrenamtlich in der IKRE-Moschee. Ihr Vater ist muslimischer Bosnier, aber nicht praktizierend; ihre Mutter Schweizerin und auf dem Papier christlich.

 

Amina ist nicht religiös aufgewachsen, trägt aber seit zwei Jahren den Hijab – sie sagt, der Koran gebe das so vor. «Nachdem ich den Schleier angelegt habe, wurde mir mein Job im Supermarkt gekündigt», berichtet Amina. «Ich werde oft auf meine Kleidung angesprochen, meistens steckt aber ehrliches Interesse dahinter.»

Sie selbst hat zunächst hier in der Moschee bei Imam Aziri viel über ihren Glauben gelernt, hofft aber, dass auch an Schweizer Schulen irgendwann Islamunterricht möglich sein wird.

Vertrauen und Authentizität

Bisher ist das nicht der Fall, das weiss auch Abt Urban Federer aus Einsiedeln. Um seinen Schülern die andere Religion näherzubringen, fährt er mit ihnen bis nach Thun. «Wir könnten auch in Zürich eine Moschee besuchen. Aber durch unsere Zusammenarbeit ist zur IKRE-Moschee bereits ein Vertrauensverhältnis gewachsen, und ich weiss: Hier bekommen meine Schüler authentische, ehrliche Antworten auf ihre Fragen.»

Zum Abschluss des Besuchs liegt ihm noch eine Frage auf dem Herzen: Wie es sich anfühle, durch sein Gewand in der Öffentlichkeit seine Religionszugehörigkeit zur Schau zu stellen, fragt der Mönch in der Kutte. Zunächst bekommt er ein Schmunzeln von Amina als Antwort. 2Das ist eine bewusste Entscheidung von mir, und ich fühle mich damit wohl», entgegnet sie und verzichtet auf eine Gegenfrage.

*Magdalena Thiele ist freie Journalistin.