
Christine Freiburghaus: «Wir tragen dazu bei, dass gesunde Lebensmittel für alle erschwinglich sind.» Foto: Theresia Mühlemann-Bänninger
20 Jahre Caritas-Markt Thun: Hier gibt es alles – für wenig
Der Caritas-Markt Thun feiert am 24. Mai sein 20-jähriges Bestehen. Warum hier viel los ist und Betriebsleiterin Christine Freiburghaus ihren Traumjob dort gefunden hat.
Theresia Mühlemann-Bänninger
Im Laden an der Thuner Seestrasse ist es heute relativ ruhig. Langsam schieben Kund:innen ihre Einkaufswagen durch die Gänge und halten Ausschau nach Dingen, die sie brauchen. Was wirkt wie ein Tante-Emma-Laden, ist der Caritas-Markt in Thun, ein Geschäft für Menschen mit wenig Budget, zentral und unweit des Bahnhofs.
Gesundes Essen soll keine Geldfrage sein
Betriebsleiterin Christine Freiburghaus führt durchs Geschäft. Das Sortiment habe sich in den letzten Jahren weiter verbessert. Es gebe eine Auswahl an frischem oder erst einem Tag altem Brot. Auch habe der Markt sein Früchte- und Gemüserayon vergrössern können. «Menschen mit wenig finanziellen Mitteln haben oft erschwerten Zugang zu ausgewogener Ernährung. Mit unserem Angebot möchten wir dazu beitragen, gesunde Lebensmittel für alle erschwinglich zu machen», sagt sie.
Hin und wieder findet man hier auch vergünstigte Spielsachen oder andere «Luxusartikel», wie aktuell Solarleuchten oder Schultheks, die sonst für die Kundschaft unerschwinglich wären. Man kennt sich hier, plaudert bei einem offerierten Kaffee. Es finden Begegnungen statt, die es sonst vielleicht nicht gäbe. «Die Kundschaft ist sehr gemischt, multikulti – genau wie das Team», sagt Christine Freiburghaus.

2005 hat in Thun der neunte Caritas-Markt schweizweit eröffnet. Zu Beginn sei es eine übersichtliche Stammkundschaft gewesen, die hier eingekauft habe. In den letzten Jahren, insbesondere seit der Pandemie, kämen kontinuierlich neue Kund:innen dazu, schreibt Barbara Keller, Leiterin Kommunikation bei Caritas Bern. Die Teuerung führe dazu, dass mehr ältere Menschen und junge Familien in den Märkten einkauften. «Der Gang in den Caritas-Markt erfordert oft Überwindung – nicht zuletzt, weil Armut in unserer Gesellschaft mit Scham behaftet und stark stigmatisiert ist,» so Barbara Keller.
Eine gesundheitliche Krise habe ihn in die Armut geführt, erzählt ein Kunde: «Nachdem ich zwei Monate mit einer schweren Coronainfektion im Spital gelegen habe, kann ich heute nicht mehr arbeiten. Meine Lunge und mein Herz sind zu kaputt, das IV-Verfahren ist noch hängig.» Er koche immer selbst, nicht nur, weil es günstiger komme, sondern auch, weil ihm gesundes Essen wichtig sei. Und hier finde er qualitative gute Frischwaren.
Eine weitere Kundin kommt regelmässig aus Bern. Sie habe die letzten Jahre vor der Pensionierung nur noch Teilzeit gearbeitet, deswegen reiche ihre AHV nicht aus. Seit über zehn Jahren kaufe sie in verschiedenen Caritas-Märkten ein. «Wenn es ein besonders gutes Angebot gibt, dann kaufe ich auf Vorrat», sagt sie. Da die teilweise sehr tiefen Preise dazu verleiten können, übermässig viel von einer Ware in den Einkaufswagen zu packen, gibt es auf gewissen Produkten Limiten.
Das Angebot der Caritas-Märkte richtet sich ausschliesslich an Armutsbetroffene in der Schweiz. Eine Berechtigungskarte, die sie als solche ausweist, muss an der Kasse vorgewiesen werden. Wer ein geringes Einkommen hat, Ergänzungsleistungen, Prämienverbilligung, Stipendien oder Sozialhilfe bezieht, darf vom vergünstigten Angebot profitieren. Ebenso können Asylsuchende, Geflüchtete und SansPapiers eine Karte beantragen. Auch die Kulturlegi berechtigt zum Einkauf in den Caritas-Märkten.

Chancen für die berufliche Zukunft
Die 22 Schweizer Caritas-Märkte helfen nicht nur armutsbetroffener Kundschaft. Zahlreichen Mitarbeitenden, meist Langzeiterwerbslose oder anerkannte Geflüchtete, die hier im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojekts die Arbeit im Verkauf kennenlernen, bieten sie eine berufliche Perspektive. «Unsere Mitarbeitenden, die von der Arbeitsintegration kommen, erhalten eine Integrationszulage von 100 Franken zu ihrer Sozialhilfe. Sie können sich hier ein gutes Arbeitszeugnis und eine Referenz erarbeiten», sagt Christine Freiburghaus. Es solle der Schritt in den ersten Arbeitsmarkt sein. Für viele gehe es auch um die soziale Integration, sie fühlten sich wohl im Team und kämen gerne zur Arbeit. In Thun zum Beispiel arbeiten auch Freiwillige, die sich in einem sozialen Projekt engagieren möchten.
Christine Freiburghaus, die bereits vorher in der Arbeitsintegration gearbeitet hat, ist die Einzige im Team, die vom Verkauf kommt. Seit drei Jahren ist sie verantwortlich für die Bewirtschaftung des Ladens und fürs Personal. «Durch das Arbeitsintegrationsprojekt und die Einsätze von Zivildienstleistenden haben wir viele Wechsel.» Die meisten, die hier arbeiteten, seien nur für ein halbes Jahr da.
Punkto Teambildung seien sie immer in der Findungsphase, trotzdem funktioniere es bestens, sagt sie erfreut. Alle wüssten noch genau, wie es für sie gewesen sei, neu anzufangen. Man nehme die Neuen mit und erkläre ihnen, wie es laufe. «Es ist mein Traumjob. Auch wenn das lebendige Business anstrengend ist, ist es auch genau das, was Spass macht.»
Livia da Silva Silveira arbeitet seit zwei Jahren im CaritasMarkt Thun. «Am Anfang war alles neu. Ich habe viel und rasch gelernt. Nach zwei Wochen durfte ich schon an der Kasse arbeiten», erzählt sie stolz. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Jungen. In ihrer Situation sei die Anstellung im Caritas-Markt ideal, auch wenn sie woanders mehr verdienen könnte. «Ich kann hier ohne Druck ausprobieren, wie viel ich ausser Haus leisten kann. Wir haben es so eingerichtet, dass ich meine Kinder fast nie allein lassen muss.»
Um Gewinne geht es nicht
2024 konnte der Caritas-Markt Thun einen Jahresumsatz von über 550000 Franken aufweisen, mehr als doppelt so viel wie im ersten Jahr. Dennoch ist der Caritas-Markt in Thun, wie auch die übrigen Caritas-Märkte, nicht kostendeckend. «Finanziell getragen wird er durch Erträge aus dem Verkauf, Beiträge der Römisch-katholischen Landeskirche Bern, der Reformierten Gesamtkirchgemeinde Thun sowie weiterer kirchlicher Institutionen, Gemeinden, Stiftungen und von privaten Unterstützungsbeiträgen», erklärt Barbara Keller.
Einen hohen Umsatz und viele Kund:innen zu haben, hat für die Caritas-Märkte einen traurigen Beigeschmack. Es bedeutet, dass immer mehr Menschen in der Schweiz schauen müssen, wie sie das Nötigste bezahlen können. Statt einer Umsatzsteigerung ist es das erklärte Ziel von Caritas, diese Budgets zu entlasten.
Das 20. Jubiläum feiert der Caritas-Markt Thun am Samstag, 24. Mai – exklusiv für Kund:innen mit Karte.
Caritas-Markt Bern zieht um
Nach 30 Jahren an der Brunnmattstrasse 44 zieht der Caritas-Markt Bern wegen steigender Nachfrage an die Könizstrasse 19a. Am neuen, grösseren Standort können künftig mehr Menschen einkaufen, und auch für Stellensuchende wird es mehr Einsatzplätze geben. Weitere Infos