
Alexander Fink: «Es gibt weder einen wissenschaftlichen Gottesbeweis noch eine wissenschaftliche Gotteswiderlegung.» Foto: zVg
Eine Frage der Plausibilität
Alexander Fink, Biophysiker und Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft der Universität Marburg, spricht bei den «Rotonda Talks» der Berner Pfarrei Dreifaltigkeit über die Vereinbarkeit von Glauben und Wissenschaft.
Interview: Christian Geltinger, Kommunikationsleiter des Pastoralraums Bern
«pfarrblatt»: Wann haben Sie sich die Frage nach dem Zusammenhang von Glauben und Wissenschaft erstmals gestellt?
Alexander Fink: Mein Interesse an den Naturwissenschaften war schon in der Schule sehr gross. Allerdings waren meine überwiegend nicht an Gott glaubenden Physiklehrer religiösen Fragen gegenüber eher skeptisch eingestellt. Bei einem Schachturnier habe ich dann ein Buch von einem New-Age-Physiker mit dem Titel «Der kreative Kosmos» gewonnen. Da steckte ich mit meiner traditionellen kirchlichen Sozialisierung dann plötzlich zwischen den Weltanschauungen: Gibt’s gar keinen Gott, gibt’s einen pantheistischen Gott oder gibt’s einen persönlichen Gott?
Wird diese Debatte nicht auch sehr ideologisch geführt?
Vor allem wurde mir klar, dass der Konflikt nicht zwischen dem Glauben an Gott und der Naturwissenschaft besteht, sondern zwischen Weltanschauungen. Jeder Mensch hat eine Weltanschauung, egal ob sie ihm bewusst ist oder nicht. Es gibt keinen wissenschaftlichen Gottesbeweis, aber auch keine wissenschaftliche Gotteswiderlegung. Die Daten, die wir haben, werden einfach unterschiedlich interpretiert. Zum Schluss stellt sich die Frage: Was ist plausibler?
Wie erklären Sie sich als Wissenschafter die Existenz Gottes?
Warum gibt es überhaupt rationale Gesetzmässigkeiten im Universum? Das ist ja auch eines der ganz grossen Mysterien. Für Albert Einstein war das Unbegreiflichste am Universum, dass wir es verstehen. Mathematik ist ja erst mal eine rein logische Wissenschaft, völlig unabhängig von der Materie. Warum können wir aber mit Hilfe der Mathematik die Natur beschreiben? Es liegen also so etwas wie Gesetze oder Ideen, um mit Platon zu sprechen, hinter der Materie. Der Schriftsteller Clive Staples Lewis schrieb in seinem Buch «Wunder», Menschen wären zu Wissenschaftern geworden, weil sie Gesetze in der Natur erwarteten, und sie erwarteten Gesetze, weil sie an einen Gesetzgeber glaubten.
Welche Auswirkung hat das auf die ethische Verantwortung von Wissenschafter:innen?
Ähnlich wie es unveränderbare Gesetzmässigkeiten gibt, mit denen wir die materielle Welt beschreiben, gibt es auch grundlegende Annahmen auf dem Gebiet der Ethik. Die Grundlage für die Menschenrechte ist der Grundsatz der menschlichen Würde. Wenn wir dieses nur auf der Basis menschlicher Konventionen begründen, bleibt es austauschbare Geschmackssache. Letzten Endes ist das die Frage, die wir diskutieren, wenn wir über einen Gottesbezug in der Verfassung reden.
Warum ist es wichtig, dass sich Wissenschaft nicht im luftleeren Raum bewegt?
Die Vergangenheit hat gezeigt: Nicht alles, was man tun kann, sollte man auch tun. Allerdings sind wir nicht davor gefeit, dass irgendjemand dann doch das Tabu bricht. Deshalb sollte man meiner Meinung nach als Wissenschafter ein gutes weltanschauliches Koordinatensystem mitbringen, das die Würde jedes Menschen nicht untergräbt.
«Rotonda Talks»
Vortragsreihe über Grundfragen des christlichen Glaubens
Mi., 2. Juli, Dr. Alexander Fink, Biophysiker: Glaube und Naturwissenschaften
Mi., 3. September, Dr. Jürgen Spiess, Althistoriker: Der gute Gott und das Leid
Mi., 12. November, Prof. Dr. Ursula Schumacher, lehrt Dogmatik an der Universität Luzern: Die Auferstehung der Toten und das ewige Leben
Jeweils ab 19.00 in der Rotonda, Sulgeneckstrasse 5, Bern