«Malen ist Ausdruck grosser Hingabe», sagt der Künstler Manuel Dürr. Fotos: Schwarzfalter GmbH

Ein Protestant im Vatikan: Wer ist der Berner, der den Kreuzweg malt?

Manuel Dürr hat den Wettbewerb des Vatikans gewonnen. Wer ist der Mann, der einen Kreuzweg für den Petersdom malt? Ein Besuch in Biel.


Sylvia Stam

Wer das Atelier von Manuel Dürr (36) betritt, steht unmittelbar vor drei grossen Gemälden des Kreuzwegs: Jesus vor Pilatus, Jesus mit dem Kreuz auf den Schultern, die Begegnung mit seiner Mutter. An der Wand rechts hängen zwei weitere Stationen, alle im Format 1,30×1,30 m.

Die insgesamt 14 Stationen des Kreuzwegs werden ab der Karwoche 2026 im Petersdom in Rom hängen, der täglich von rund 20000 Menschen besucht wird. Bis dahin dürfen die Bilder nicht gezeigt werden, weshalb dieser Artikel mit anderen Bildern des Künstlers illustriert ist. 

Manuel Dürr malt jeweils parallel an fünf Stationen. «Es hilft ab und zu an einem anderen Bild zu arbeiten», sagt Dürr. Vor allem, wenn man ein wenig verliebt sei in ein Bild, könne die Distanz helfen. «Man muss Bilder immer wieder so anschauen, als hätte sie jemand anders gemalt.»
 


Hilfreicher Kinderblick 

Dabei helfen dem Bieler Künstler auch seine Kinder (drei, vier und sechs Jahre alt), indem sie die Bilder kommentieren. «Wenn Kindern etwas nicht einleuchtet, prüfe ich, ob die Darstellung nicht zu verkopft ist.» In dem Gemälde, auf dem Jesus seiner Kleider beraubt wird, sieht seine Tochter einen Drachen. «Das freut mich, obwohl ich es nicht ganz verstehe», sagt Manuel Dürr lachend.

Die grossflächigen Bilder wirken in ihrer gegenständlichen Darstellung klassisch. Sein Malstil sei «figurativ, also dem Realismus verbunden», erklärt Dürr im Fachjargon. «Die Menschen brauchen diese Bilder zum Beten, sie sind daher nicht nur ein Kunstwerk.» Dürr unterstellt seine künstlerische Kreativität dieser liturgischen Funktion.
 


Existenzielle Fragen

Manuel Dürr ist selbst ein gläubiger Mensch. Seine Familie und er gehören spirituell zur Gemeinschaft Jahu. Laut relinfo. ch fühlt sich die Gemeinschaft der reformierten Landeskirche zugehörig, inspiriert sich aber auch von orthodoxen oder evangelikalen Traditionen.

Für Dürr ist es eine «grosse Ehre», als Reformierter einen Kreuzweg für diese zentrale katholische Kirche malen zu dürfen.» Auf das Bilderverbot der reformierten Kirchen angesprochen, entgegnet der Künstler: «Mein Denken ist christlich. Ich schöpfe aus der ganzen Kunstgeschichte, und da gehört sakrale Kunst dazu. Fragen nach dem Leid sind letztlich existenzielle Fragen.» 

Dürr bezeichnet das Malen als langsame Kunst. «Malen ist ein Ausdruck grosser Hingabe, es ist verdichtete Absicht.» Denn in einem wochenlangen Prozess habe der Künstler oder die Künstlerin Millionen von Entscheidungen getroffen – für Farben, Pinselführung etc. Und mit jeder Entscheidung würden Tausende andere Möglichkeiten ausgeschlossen. «Ein Gemälde gefriert ein Bild ein. Das hat etwas Ewiges.» 
 

 


Digital möglichst abstinent

Um den Kopf für diese konzentrierte Arbeit frei zu haben, verzichtet Dürr so weit es geht auf Bildschirme, während der Fastenzeit auch auf Hintergrundmusik. «Ich will meinen Kopf nicht mit fremden Gedanken füllen», sagt er zur Erklärung. 

Dadurch gehe das Kreative verloren. Auch seinen Nachrichtenkonsum hält er in Grenzen. 

«Es beschäftigt mich sehr, was meine Verantwortung angesichts der düsteren Weltsituation ist», sagt der Bieler Künstler. «Gleichzeitig vertraue ich darauf, dass Gott seine Welt nicht verlässt.»