
In einem Rollenspiel wird geübt, wie man schwierige Mitarbeitergespräche führen kann. Foto: Sylvia Stam
«Die Priesterweihe alleine vermittelt noch keine Führungsqualitäten»
Führung mit Spiritualität und Sinnfragen verbinden – das möchte ein neuer Lehrgang an der Theologischen Fakultät der Uni Luzern. Wie das gehen kann, wird anhand eines Rollenspiels an einem Kursmorgen deutlich.
Sylvia Stam
«Ich wüsste schon gerne: Wer erzählt denn die ganze Zeit, er müsse meine Arbeit übernehmen?», fragt Thomas, hörbar erregt, seine Chefin. Diese sitzt ihm gegenüber und hört nur zu. «Du musst keine Angst haben. Ich packe das schon wieder…. Oder auch nicht», fügt er kleinlaut an, und erzählt nach und nach, was ihn bedrückt.
Thomas heisst in Wirklichkeit Beat und ist Schauspieler. Er spielt einen Mitarbeiter, dessen Leistungen nachgelassen haben. Die gestellte Szene wird in einem Raum der Universität Luzern gespielt.
Im Rahmen des CAS in «Reflective Leadership» (deutsch: Reflektierte Führung) geht es an diesem Vormittag um Personalmanagement. Durch den Tag führt Gastreferent Joe Willimann, Sicherheitsberater und Coach aus Nottwil. Für die Kursteilnehmerin, die als «Chefin» nur zuhören durfte, war das «Schwerstarbeit», wie sie hinterher sagt.
Wer fragt, kriegt Information
In einer zweiten Runde, gleiches Setting, fragt Willimann den Mitarbeiter: «Thomas, verstehe ich es richtig, dass du momentan unter Druck stehst?» Diesmal sprudelt es aus Thomas heraus: Er habe die Diagnose Hirntumor. In der Folge hat er sich von seiner Frau getrennt, um Ruhe zu haben. Und sucht diese im Alkohol…

«Wer nachfragt, bekommt Informationen. Damit haben wir eine neue Ausgangslage für neues Handeln», sagt Willimann. «Nachfragen vermittelt dem Gegenüber das Gefühl: Mir hört jemand zu!» Nachfragen sei eine Form der Deeskalation, so Willimann weiter. Ein offenes Ohr könne man jedoch nur haben, wenn man selbst resilient sei. Willimann betont, wie wichtig Selbstfürsorge gerade für Führungspersonen sei.
Als möglichen nächsten Schritt macht er den Kursteilnehmenden Mut, ein Gespräch auch mal zu unterbrechen und später weiterzuführen. «Weglaufen ist nicht feige, ich komme ja wieder.»
«Nachfragen, nicht nur im Konfliktfall, sondern generell im Team», diese Erkenntnis nimmt Marianne Pleines, Seelsorgerin in einer Winterthurer Pfarrei, von diesem Vormittag mit. Seit September besucht sie zusammen mit drei weiteren Frauen und drei Männern den einjährigen CAS an der Uni Luzern. «Durch Nachfragen kann ich etwas bewirken, ich bin nicht machtlos», sagt die Theologin, die sich vorstellen kann, dereinst eine Leitungsfunktion zu übernehmen.
«Nett-Sein» genügt nicht
Im kirchlichen Kontext herrsche bisweilen die Haltung, Seelsorgende hörten zu und seien nett zueinander. «Doch es geht auch in kirchlichen Kontexten mehr als um Nett-Sein. Wir managen gemeinsam ein Kleinunternehmen. Auf das Wirken der Heiligen Geistkraft zu vertrauen, entbindet einen nicht, Führungsverantwortung zu übernehmen», sagt Pleines. Das gelte auch für Pfarrer. «Die Priesterweihe alleine vermittelt noch keine Führungsqualitäten.»
Eigenes Verhalten reflektieren
Ihre Kollegin Rahel Voirol, Religionspädagogin bei den reformierten Kirchen Bern Jura Solothurn, wünscht sich in der Kirche mehr Verständigung über die Bedeutung von Führung. Am CAS hat sie die Verbindung von Theologie, Spiritualität und Leadership angesprochen. «Ich möchte der Sinnhaftigkeit von Führungsaufgaben besser auf die Spur kommen», sagt die ehemalige Co-Bereichsleiterin Katechetik, die in einem Umstrukturierungsprozess steht, wo sich Fragen nach Führung neu stellen. «Die Ausbildung macht etwas mit mir, ich reflektiere viel mehr, insbesondere mein eigenes Verhalten. Ich stelle Fragen zu Abläufen im Team oder in der Kirchgemeinde», sagt auch Pleines.
Nicht nur für Kirchenleute
Beide erleben es als grosse Bereicherung, mit Führungskräften aus anderen Kontexten im Kurs zu sein. Diese sind etwa in der Telekommunikation, bei einer Versicherung oder in der Altenpflege tätig. Der Kurs richte sich an Menschen im kirchlichen wie auch im nicht-kirchlichen Kontext, sagt Simone Konrad, die den Lehrgang zusammen mit Patrick Renz verantwortet, letztlich an alle Menschen, die sich mit Sinnfragen befassten.
Das bestätigt Stefan Nünlist, der als Senior Consultant bei der Swisscom nicht im kirchlichen Bereich tätig ist: «Menschen zu führen, bedeutet immer auch Sinn zu vermitteln. Darum sind Spiritualität und Führung, wie das an der Theologischen Fakultät in Luzern vermittelt wird, eng verbunden.»
Erstpublikation im Kantonalen Pfarreiblatt Luzern
Sinnfragen in der Führung
Die Theologische Fakultät der Uni Luzern bietet eine modulare Weiterbildung an, die Führung (Leadership) mit Sinnfragen (Purpose) und Spiritualität verbindet. Der Master of Advanced Studies (MAS) «Leadership & Purpose» beinhaltet drei Zertifikatslehrgänge (Certificate of Advanced Studies, CAS).