
Aareböteln und Musik: Das Geheimins von Bern. Foto: Elite Film
Bern rockt: eine filmische Hommage an die Berner Musik
Den Zürcher Regisseur Stascha Bader treibt die Frage um: Warum ist Berner Mundart-Musik so erfolgreich? Die Antwort gibt der Film «Das Geheimnis von Bern», der jetzt im Kino läuft.
Sarah Stutte
Der Anfang des Dokumentarfilms «Das Geheimnis von Bern» beginnt wie ein Film noir. Schwarz-weisse Bilder zeigen einen Mann, in Hut und langen Mantel gekleidet, der selbstvergessen auf einer Brücke der Limmatstadt steht. Er erinnert sich zurück an die guten alten Rocktage der ausklingenden 70er- und beginnenden 80er-Jahre, als das rebellische Zürich noch brannte für die Jugend, die Veränderung und die Punkmusik. Er selbst spielte damals in der Band «City Vibes» Gitarre sowie Keyboard und sang die Vocals. Die Gruppe gab es von 1978 bis 1980, danach war Schluss mit dem Traum von einer Musikkarriere, weil sich die Zeiten änderten und sich der Sturm des Protestes nach mehr Freiheit und Räumen für die Jugend legte.
Bern schlägt Zürich
Der Mann im Mantel schreitet durch das nächtliche Zürich und steht dann in einem Keller. Dort hält er die letzte Platte seiner alten Band in der Hand, gibt sich darüber frustriert und erklärt, dass sich die Musikszene in Bern ganz anders entwickelt hätte und bis heute geradezu florieren würde. Mani Matter, Plüsch, Natacha, Polo Hofer – damals noch Sänger der Band Rumpelstilz–, Patent Ochsner, Trauffer, Gölä oder Steff la Cheffe, um nur einige Namen zu nennen. In der einheimischen Mundartmusik würden «die aus Bern alle anderen abhängen», meint der Mann. Das sei kein blosses Gefühl, sondern könnte durch Zahlen belegt werden wie erfolgreichste Alben, Auszeichnungen, Konzerte und so weiter.

Daraufhin zertrümmert er seinen alten Plattenspieler auf dem Steinboden. Warum ist die Mundartmusik in Bern so erfolgreich? Diese Frage treibt ihn um und so macht er sich, als eine Art Columbo-Musikdetektiv, auf Spurensuche in der Aarestadt. Er – der ehemalige Musiker, der Erzähler in dieser Geschichte, ist der Regisseur Stascha Bader, der in seiner Jugend tatsächlich Musiker werden wollte. Dann fand er aber über den Film Zugang zu seiner ersten Leidenschaft – indem er Videoclips für Schweizer Bands und Sänger drehte und sich in seinen Dokumentarfilmen mit Musik auseinandersetzte. So gewann seine Kino-Dokumentation «Rocksteady – The Roots of Reggae» 2009 den Zürcher Filmpreis.
In der Berner Ruhe liegt die Kraft
Für seinen neuen Dokumentarfilm holt Stascha Bader zahlreiche Kenner der Musikszene Bern vor die Kamera. Von ihnen will er wissen, ob der Berner Dialekt ausschlaggebend dafür ist, dass die Musik auch in anderen Kantonen so gut ankommt. Als erstes sitzen im Bierhübeli Rapper wie Greis, Baze oder Serej zusammen und unterhalten sich darüber. Alle drei Künstler sind Mitglieder des «Chlyklass»-Kollektivs, eines Zusammenschlusses von Berner Rappern, die jährlich am «Ultimate MC Battle» im Bierhübeli auftreten. «Ich weiss nicht, ob wir einen Mundartvorteil haben», meint Baze im Gespräch. «Vom Dialekt her hat das Berndeutsch einfach eine andere Wärme für mich als beispielsweise ein Ostschweizer Dialekt. Er ist langsamer, runder und hat mehr Klang in der Sprache», fügt der Rapper hinzu. Und Greis meint: «Kuno Lauener von Züri West oder Polo Hofer haben uns geprägt. Es hilft, wenn man Identifikationsfiguren hat aus der Region, die die gleiche Sprache sprechen und Musik machen, die man selbst gut findet».
Stascha Bader befragt auf seiner musikalischen Reise auch einen Sozio-Linguistiker der Universität Bern. Den Wissenschaftler interessiert, welche Singsprache bei den Zuhörerinnen und Zuhörern biologisch am meisten auslöst, was er mit verschiedenen Testreihen herauszufinden versucht. Am Ende ist klar, dass im Ausland die Dialekt-Unterschiede wenig herauszuhören sind und eigentlich nur Zürcherinnen und Zürcher den Berner Dialekt präferieren. Auch weitere Gespräche führen Bader nicht zu der einen, befriedigenden Antwort, öffnen dafür aber neue Aspekte. Der Autor Samuel Mumenthaler erklärt beispielsweise, dass der Erfolg der Berner Mundartmusik nicht erst mit Polo Hofer angefangen habe. Der erste Schweizer Popstar sei der Berner Teddy Stauffer gewesen, der die Swingmusik etabliert hat. «Man war in Bern musikalisch halt immer offen und hat den Zeitgeist verstanden», so Mumenthaler. Das Erfolgsrezept der Berner Musiker sei seiner Meinung nach, dass man nicht schnell auf einen Hype aufspringe, sondern wie Hazy Osterwald oder Gölä «immer an seinen Überzeugungen festhalte». Letzterer sei aus dem Nichts – dem Berner Oberland – gekommen, meint an einer Stelle das Berner Rap-Urgestein Baldy Minder. Das hätte nochmals bestätigt, dass sich nicht alle erfolgreichen Musiker in der Stadt tummeln.
Stascha Baders ist als Detektiv seiner eigenen dokumentarischen Musikreise gewollt gescheitert. Dafür ist ihm ein unterhaltsamer Film gelungen, der samt Verbindung zu Jeremias Gotthelf und der Aussöhnung mit dem traditionellen Guggisberglied, in sich eine Liebeserklärung an Bern ist. Wie die poetischen Texte der Slampoetin Jovana Nikic, die an einer Stelle wunderschön eingewoben werden.
Der Dokumentarfilm «Das Geheimnis von Bern» läuft derzeit in den Schweizer Kinos. In Bern unter anderem im kult.kino.