Old wood background

Collage: fh / iStock

Begegnung mit der eigenen Vergangenheit

29.05.2025

Buchtipp aus der ökumenischen Buchhandlung voirol


Als die Eltern von Lina unerwartet sterben, lässt sie alles stehen und liegen und reist in den Schwarzwald, an den Ort ihrer Kindheit und Jugend. Es soll alles schnell gehen. Sie will die Eltern bestatten, das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, verkaufen. Lina hat nicht vor, länger zu bleiben. Doch es kommt anders. Die Rückkehr in das Haus und die Umgebung, das Wiedersehen mit alten Freund:innen und Bekannten bewegen sie unerwartet stark. «So ist das nun mal mit der Vergangenheit. Springt einen an wie ein hechelnder Hund, schmeisst einen in den Graben, das war keine Absicht, die macht nichts, die will nur spielen, so ist sie halt, ungestüm und wild, und will überall dabei sein, ist immer auf der Suche, obwohl sie im Heute nichts verloren hat.» Linas Begegnung mit ihrer Vergangenheit führt zu regelrechten Flashbacks. Intensiv und mit voller Wucht wird sie von ihren Erinnerungen angesprungen und überfahren, von den schönen genauso wie von den traurigen. 
Eva Strassers unglaublich bildstarke, atmosphärische und unmittelbare Sprache reisst die Lesenden mitten hinein in die Geschichte. Auch ich konnte plötzlich das Rascheln der Bäume und das Rauschen des Flusses hören; mein Puls folgte dem Rhythmus von Linas Puls, wenn sie ins Dorf runter oder zum See hoch rannte; der Geruch des Hauses stiess mich ab und der des Regens beruhigte mich. Die lebendige Sprache, die starken Figuren sowie die Spannung, die bis zur letzten Seite anhält, und das überraschende Ende, machen den Debütroman von Eva Strasser zu einem wahrhaft körperlichen Erlebnis, das lange nachwirkt.

Séverine Décaillet

Eva Strasser, Wildhof, Wagenbach 2025, 208 S., Fr. 30.90