Geschieden und wiederverheiratet oder gleichgeschlechtlich liiert? Was von vielen Menschen selbstverständlich gelebt wird, kann katholische Seelsorgende die Stelle kosten. Auch bei ihnen solle das Privatleben auf beruflicher Ebene keine Rolle mehr spielen – diese Forderung erging vor zwei Jahren an die Schweizer Bischofskonferenz.
Formuliert wurde sie erstmals vom Dachverband der Landeskirchen, der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ). Weitere kirchliche Player wie die Allianz Gleichwürdig Katholisch (AGK) und die Luzerner Synode engagieren sich seither in dieser Sache.
Offener Brief an die Bischöfe
Kurz vor der Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die vom 15. bis 17. September in Lugano stattfindet, erinnert die AGK nun daran, dass eine Antwort der Bischöfe noch immer aussteht. Die Allianz, die sich für Reformen in der katholischen Kirche einsetzt, sammelt seit einem Jahr Geschichten von Betroffenen. In einem offenen Brief an die SBK fasst die AGK ihre Erkenntnisse aus diesen Gesprächen zusammen.
Der Begriff «irreguläre Situation» sei verletzend, schreibt die AGK. Als sogenannt «irregulär» bezeichnet die katholische Kirche Lebenssituationen, die nicht konform sind mit der katholischen Kirchenlehre. Dies betrifft Menschen, die beispielsweise mit einer Person gleichen Geschlechts liiert sind oder geschieden und in neuer Beziehung lebend. Bei den gemeinten Situationen seien meist die schwierigsten oder die glücklichsten Momente im Leben eines Menschen betroffen (Scheidung/Trennung, Heirat, Geburt eines Kindes etc.).
Willkür schafft Atmosphäre der Angst
Die AGK erinnert daran, dass die betroffenen Menschen, die aufgrund ihrer privaten Lebenssituation keine kirchliche Anstellung bekommen oder fürchten müssen, diese zu verlieren, sich mit Leidenschaft für die katholische Kirche einsetzten und dabei schmerzhafte Erfahrungen machen mussten. Die Allianz weiss aber auch von Betroffenen, die auf unterstützende Vorgesetzte trafen. Da dies jedoch von der persönlichen Haltung einzelner Personen abhänge, schaffe die aktuelle Situation Willkür. Unklar sei, was bei einem Stellenwechsel passiere. Die aktuelle Regelung halte ausserdem Interessierte davon ab, überhaupt einen kirchlichen Beruf zu wählen.
Der kirchliche Umgang mit dem Privatleben der Seelsorgenden könne auch in einer Pfarrei eine repressive Atmosphäre und eine Kultur des Versteckens schaffen.
Bericht kurz vor dem Abschluss
Die Hoffnung der AGK, dass die Bischöfe nächste Woche endlich eine Antwort präsentieren, ist nicht unbegründet. Die SBK hatte das Thema vor mehr als einem Jahr an ihre Kommission für Theologie und Ökumene (TÖK) delegiert. Auf Nachfrage des «pfarrblatt», wo der Prozess inzwischen stehe, sagte die Sprecherin der SBK Ende Juli: «Das von der TÖK überarbeitete Dokument wurde von den Bischöfen ausführlich diskutiert. Eine kleine interne Gruppe der SBK wird das Dokument auf Grundlage der Diskussion in der ordentlichen Versammlung überarbeiten, damit es veröffentlicht werden kann». Das überarbeitete Dokument solle nach Möglichkeit auf einer der kommenden Vollversammlungen der SBK vorgestellt und anschliessend veröffentlicht werden.
Die AGK verweist in ihrem Brief darauf, dass die Mitglieder der TÖK in der theologischen Wissenschaft tätig sind. Sie zeigt sich daher optimistisch, dass «der Bericht aktuelle theologische Perspektiven beinhaltet.»
Auch die RKZ bleibt dran
Auch die RKZ ist zuversichtlich: «Es bleibt festzuhalten, dass es kein weltkirchliches Gesetz gibt, das die Lebensform kirchlicher Mitarbeitenden, die nicht Kleriker sind, vorgibt. Es sind also stets Bestimmungen, welche die Bischöfe in eigener Kompetenz erlassen», sagte deren Generalsekretär Urs Brosi im Februar gegenüber dem «pfarrblatt». «Wir sind deshalb zuversichtlich, dass die SBK ohne zusätzlichen äusseren Druck zu einer guten Lösung findet.» Sollte das Ergebnis der SBK dennoch unbefriedigend ausfallen, «würde das Präsidium der Plenarversammlung der RKZ einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten», so Kirchenrechtler Brosi weiter gegenüber dem «pfarrblatt».
Es bleibt also mit Spannung zu erwarten, was aus der Plenarversammlung der Bischöfe vom 15. – 17. September in Lugano zu berichten sein wird.