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Medienkonferenz Sexueller Missbrauch

Bischof Felix Gmür an der Medienkonferenz zur Publikation der Missbrauchstudie 2023. Foto: Moritz Hager

Missbrauch: FDP Bern will Bischof Gmür auf die Finger schauen

Das Bistum Basel steht aktuell in der Kritik für seinen Umgang mit Missbrauchsfällen. Im Kanton Bern reagiert nun die Politik: Aus der FDP kommt ein Vorstoss, der den Kanton auffordert, sich für den Schutz von Missbrauchsbetroffenen einzusetzen.

 

Sylvia Stam

Carlos Reinhard (FDP Thun) und Claudine Esseiva (FDP Bern) haben am Dienstag (10.6.) eine Interpellation zuhanden des Berner Regierungsrats eingereicht. Darin geht es um Missbrauch in der katholischen Kirche. Der Vorstoss nimmt Bezug auf aktuelle Medienberichte, die dem Basler Bischof Felix Gmür vorwerfen, er gewähre den Historikerinnen der Uni Zürich, welche aktuell an einer Studie zu Missbrauch forschen, keinen Zugang zu den Akten neu gemeldeter Fälle mutmasslichen Missbrauchs. Reinhard und Esseiva erinnern ausserdem daran, dass Bischof Gmür im Fall «Denise Nussbaumer» (siehe Infokasten unten) sensible Daten an den beschuldigten Priester weitergegeben habe. 

Verantwortung des Kantons

«Wie stellen wir als Kanton Bern sicher, dass Missbrauchsfälle aufgeklärt werden und die Opfer den Schutz bekommen, den sie brauchen?», fragen Esseiva und Reinhard den Regierungsrat in ihrem Vorstoss.  «Wie stellt der Regierungsrat sicher, dass die Rechte der Betroffenen nicht erneut durch unkontrollierte Datenweitergaben oder kirchliche Eigeninteressen verletzt werden? Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Kanton Bern, um bei der katholischen Kirche (Bistum Basel) die Herausgabe von Unterlagen und eine unabhängige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle einzufordern?», lauten weitere Fragen. 

Die Interpellation wird von der Regierung schriftlich beantwortet, jedoch nicht im Rat behandelt werden, erläutert Reinhard auf Nachfrage des «pfarrblatt». Je nach Antwort könnten Esseiva und Reinhard mit einer Motion verbindliche Forderungen stellen.

Aussage gegen Aussage

Das Bistum Basel reagierte umgehend und auffallend scharf auf die Vorwürfe aus den Medien. Es weist diese zurück und wirft der «NZZ am Sonntag», dem «Sonntagsblick», der «Berner Zeitung» und dem «Bund» «Verleumdungen» und «unlauteren Journalismus» vor. 

In der Sache steht Aussage gegen Aussage: «Der Bischof von Basel stellt dem Forschungsteam der Universität Zürich alle Archivakten zur Verfügung», heisst es in der Mitteilung des Bistums, die am Sonntag verschickt und am Mittwoch (11.6.) aktualisiert wurde. «Weil das Bistum davor zwingend sicherstellen muss, dass alle Vorschriften des schweizerischen Rechts eingehalten werden, ist es schon lange mit den Historikerinnen der Universität im Austausch und hat mit ihnen schon vor dem Erscheinen der Artikel ein Gespräch vereinbart.»

In der Berner Interpellation ist von 92 Fällen die Rede, bei denen Bischof Gmür die Akteneinsicht verweigern soll. Die «NZZ am Sonntag» spricht lediglich von einer «grosse(n) Anzahl Meldungen» und verweist darauf, dass dem Bistum von September 2023 und Februar 2024 92 neue Fälle mutmasslichen Missbrauchs gemeldet wurden. Das Bistum hatte diese Zahl im März 2024 selbst mitgeteilt.  

«Nicht zwei Herren dienen»

Die «NZZ am Sonntag», auf die sich auch der «Bund» und die «Berner Zeitung» berufen, erwähnt in ihrem Bericht einen weiteren heiklen Punkt, auf den das Bistum in seiner Antwort nicht eingeht: Bischof Felix Gmür habe sich im Fall «Denise Nussbaumer» juristisch beraten lassen, und zwar von jener Juristin, welche auch die «unabhängige» Meldestelle für Missbrauch im Bistum Basel leitet. Die Zeitung stützt sich dabei auf ein neues Gutachten im Fall «Nussbaumer». Verfasst wurde dieses demnach «von einem renommierten Kirchenrechtler, der aufgrund seiner Position innerhalb der katholischen Kirche anonym bleiben will», so die NZZaS. Laut Mitteilung des Bistums Basel hat dieser eine Anstellung bei der Schweizer Bischofskonferenz. 

Auf Nachfrage des «pfarrblatt» will das Bistum die Doppelrolle der Anwältin weder bestätigen noch dementieren: «Zum abgeschlossenen Verfahren Nussbaumer können wir aus personen- und datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft geben», lässt das Generalvikariat ausrichten. Auf die Frage, was für das Bistum Kriterien der Unabhängigkeit seien, geht es nicht ein. 

Vreni Peterer, Präsidentin der Betroffenenorganisation IG M!kU, kann die Unabhängigkeit der Anlaufstelle nicht beurteilen. Eine solche Doppelfunktion würde aber das Vertrauen von Betroffenen untergraben, sagt sie. Damit eine Anlaufstelle als unabhängig bezeichnet werden könne, «dürfen keine Informationen an die Kirche fliessen, ausser die betroffene Person wünscht das. Eine Anlaufstelle kann in diesem Fall nicht zwei Herren dienen. Betroffene müssen sich vollkommen sicher fühlen können, dass zum Beispiel Informationen wirklich dort bleiben, wo sie deponiert werden.» Sie weist ebenso wie das Bistum darauf hin, dass auch die kantonalen Opferhilfestellen für Meldungen zu Missbrauch zur Verfügung stehen. Seit Anfang dieses Jahres müssen die kirchlichen Meldestellen konsequent an diese verweisen. (aktualisiert 12.6., 18.05h)

Der Fall «Denise Nussbaumer»

Im August 2023 hatte die Zeitschrift «Beobachter» publik gemacht, dass «Denise Nussbaumer,» (Pseudonym) in den 1990er Jahren als Minderjährige von einem Priester missbraucht worden war. Erst auf Druck des «Beobachters» meldete Bischof Felix Gmür den Fall nach Rom, was ihm eine Mahnung des Vatikans eintrug. Ausserdem hatte er Tagebuchnotizen der Betroffenen dem mutmasslichen Täter zukommen lassen. Bischof Felix Gmür hat sich für diese Fehler inzwischen entschuldigt. Für den zuständigen Untersuchungsleiter, der damals zugleich Domherr war, hatte der Fall keine Konsequenzen. Vielmehr wurde dieser Ende 2024 zum Ehrendomherrn ernannt. Laut Bistum sei dies keine Beförderung, sondern ein «Automatismus», rechtfertigte sich das Bistum damals. Auf die Feier zur Einsetzung des Ehrendomherrn im Februar dieses Jahres verzichtete das Bistum aber dennoch, wie das «pfarrblatt» damals aufdeckte