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Herzensohr

Aki-Kolumne von Geneva Moser

Im Leitbild des aki, welches wir letztes Jahr als Team überarbeitet haben, steht: «Das aki ist ein Ort, wo ein offenes Ohr eingeübt wird: In der Begegnung mit Mitmenschen, in der Auseinandersetzung mit Fragen weltweiter Gerechtigkeit und in der Suche nach Gott.» Ganz in diesem Sinne haben wir gemeinsam mit dem forum³ einen teaminternen «Retreat-Tag» geplant: Auf dem Programm standen die Begegnung mit dem Stadtkloster in Zürich und eine Auseinandersetzung mit der Benediktsregel. 

So machten wir uns an einem Freitag also auf den Weg und besuchten die Stadtkloster-WG in ihrem stattlichen Altbau in Wiedikon. Eine kleine Gemeinschaft lebt hier und ist Teil des weit grösseren Vereins «Stadtkloster», der mit verschiedenen Sozialprojekten und gemeinsamen Gebetszeiten das Leben vieler Menschen und der Stadt mitprägt. Auch Geflüchtete finden in der WG temporär ein Zuhause – eine Bewohnerin beschreibt dieses Konzept wie ein Nest, welches es Menschen in prekären Situationen ermöglichen kann, Kraft zu tanken und flügge zu werden. Dieses Bild verknüpft sie mit biblischen Quellen, in denen Christus als «Mutterhenne» oder die Geistkraft als «brütend» beschrieben wird. Wir sind beeindruckt und inspiriert von der schönen Begegnung und werden mit einem leckeren Mittagessen beschenkt. 

Am Nachmittag lesen wir Auszüge aus dem Prolog der Benediktsregel, die die Lebensgrundlage benediktinischer Ordensgemeinschaften weltweit bildet und aus dem 6. Jahrhundert stammt. Über diese Bedeutung als Ordensregel hinaus, kann sie als wertvolle «Lebenshilfe» für alle Menschen dienen, insbesondere wenn es darum geht, «ein offenes Ohr» einzuüben und im Alltag «Gott zu suchen», wie es eben unser Leitbild programmatisch vorgibt. Immerhin ist das erste Wort der Regel «höre» und in vielen sehr körperlichen Bildern wird dieses Hören aufeinander und auf Gott beschrieben: Neige das Ohr deines Herzens. 

Der Text aus dem 6. Jahrhundert ist allerdings auch eine Knacknuss: Wir arbeiten uns durch belastete Begriffe, wie «Teufel», «Hölle», «Makellosigkeit» und hinterfragen die Flughöhe dieses geistlichen Programms, welches stark auf eine Jenseitsvorstellung – eben: entweder Himmel oder Hölle! – ausgerichtet ist. Der Austausch aber ist spannend: Wie führe ich ein gutes Leben? Wo erlebe ich mich als hörend? Wie halte ich meine Ohren offen für die Anliegen der Studierenden? Welche Perspektiven, welche Ausrichtung hat mein Leben, ganz konkret im Alltag? 

Es tut gut, innezuhalten: Die weit gefasste Zielgruppe der Benediktsregel passt auch zu allen, die im aki ein- und ausgehen und für die wir unsere Ohren zu öffnen versuchen: «Wer ist der Mensch, der das Leben will und gute Tage zu sehen wünscht?»

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