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(Er)zählbar

Aki-Kolumne von Benjamin Svacha

Es gibt Gespräche, die sich so regelmässig wiederholen, dass es irritieren würde, wenn sie einmal anders verliefen. Zum Beispiel das Kurzgespräch: «Wie geht’s dir?» – «Eigentlich gut, danke, ich habe nur gerade etwas viel los.» Oft erzählen mir Menschen davon, dass bei ihnen gerade viel läuft: Vorlesungen, Prüfungen, Abschlussarbeiten, Nebenjobs, persönliche Angelegenheiten. Und eigentlich würde man gerne noch mehr tun: Freund:innen treffen, mehr Klavier spielen oder persönliche Projekte in Angriff nehmen. Persönlich kann ich mich nicht erinnern, wann auf «Wie geht’s dir?», zuletzt jemand geantwortet hat: «Gut, danke, aber ich habe nichts zu tun.» Übrigens: Mir geht es genauso, auch ich kenne es bestens, mich oft etwas (zu) beschäftigt zu fühlen.

Schauen wir realistisch auf unseren Alltag, dann sind wir natürlich nicht durchgehend «auf Achse»: Wir machen Pausen, erholen uns abends von langen Arbeitstagen – nur meistens wiederum mit der Absicht, Energie zu tanken, die wir für neue Projekte brauchen werden. Aber die Zeit verstreichen lassen, ganz passiv, einfach so und ohne insgeheim doch ein Ziel zu formulieren, wozu wir gerade nichts tun? Kaum. Ungenutzte Zeit scheint irgendwie verdächtig: Wenn wir ein Wochenende lang nichts gemacht haben, ausser auf dem Sofa rumzuliegen, fühlen wir uns nicht selten schuldig. Wenigstens Hausarbeit hätte man machen können, eine Vorlesung repetieren, ein wenig Sport! Irgendetwas «Zählbares» hätte herauskommen sollen – und wenn schon nichts Zählbares fürs Studium, dann wenigstens etwas «Erzählbares»: Wie schön war es am Wochenende in den Bergen! Und Social Media gibt uns die Möglichkeit, das Erzählbare sogar wiederum zählbar zu machen: Wir posten ein paar Fotos von unserer Herbstwanderung und können anhand von Aufrufen, Likes und Reaktionen schon bald abschätzen, wie unser Wochenendprogramm bei anderen ankommt.

Und hier im aki? Wir organisieren Veranstaltungen, führen Gespräche, erzählen Studierenden, aki-Freund:innen, aki-Gegner:innen und vorgesetzten Stellen davon, was wir machen und weshalb sich das aki «lohnt», weshalb dieses offene Haus eine so gute Sache ist (und es ist wirklich eine so gute Sache!). Aber besteht mein Job damit nicht auch darin, Erzählbares zählbar zu machen und durch Gespräche, Angebote, Beziehungspflege und etwas Marketing dafür zu sorgen, dass die Besuchszahlen im aki «stimmen»? Unsere Geldgeber:innen davon zu überzeugen, dass wir gut mit den Ressourcen umgehen, die sie uns zur Verfügung stellen? Und trage ich damit letztendlich nicht auch zur Kultur bei, dass wir stets alle beschäftigt sind – und falls ja: Ist das eigentlich sinnvoll, in einem offenen, von der Kirche getragenen Haus?

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